Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
Kreutzfelder schufteten die Polinnen, Emmerich war schon seit letzter Woche mit der grünen Lese fertig.
    Nach zwei Stunden machten sie eine erste Pause, und Sabrina versuchte, Amelie auf dem Handy zu erreichen. Niemand meldete sich. Die Namedyer Werth sah von hier oben aus wie ein dicht bewachsener Dschungel. Vom Fähranleger führte ein Pfad bis zum Geysir, der mehrmals am Tag eine zischende Fontäne in die Luft spuckte. Der Weg führte weit am toten Fluss vorbei. Es war ein großes Gebiet, aber trotzdem klein genug, um schnell entdeckt zu werden. Heute will er weg, dachte sie. Vielleicht sehe ich ihn ja von hier oben, wenn er rauskommt und sich auf die große Reise macht. Den Rhein runter, dann auf den Main, bei Passau auf die Donau und dann weiter, vielleicht nach Linz oder Bratislava. Vielleicht auch bis ans Schwarze Meer. So wie die Maxima . Ob der Kahn das noch schafft? Wie alt das Schiff wohl war? Zwanzig, dreißig, vierzig Jahre? Und ob Amelie …
    »Sabrina! Hallo!«
    Erschrocken drehte sie sich zu Franziska um. Sie saßen nebeneinander, tranken aus ihren Wasserflaschen, und ihre Mutter wickelte gerade ein Brot aus, das sie Sabrina anbot.
    Sie schüttelte den Kopf. »Keinen Hunger.«
    »Wie war es denn mit Amelie gestern Abend? Du warst schon so früh wieder zurück.«

    Och, ganz okay, dachte Sabrina. Sie hat nur wieder einen Mann kennengelernt und mich in die Wüste geschickt, damit ich nicht störe. Sie hat tatsächlich geglaubt, dass ich mich für diesen Kilian interessiere. Aber das tue ich gar nicht. Ich bin nur ein bisschen durcheinander, wenn er in der Nähe ist. Er ist so ganz anders als die Jungen in meinem Alter. Er hat ein eigenes Schiff. Auch wenn das so ziemlich auf dem letzten Loch pfeift. Und er muss mindestens achtzehn oder zwanzig sein und ein Kapitänspatent für Binnenschifffahrt haben. Also wirklich zu alt für mich. Echt, Mami. Du kannst mir ruhig auch weiter vertrauen. Ich bin brav nach Hause gekommen, wie Kinder das so tun, wenn sie sich mal verlaufen haben. Komisch, dass du mir das offenbar nicht zutraust, so vernünftig zu sein. Wo du doch diejenige bist, die mich erzogen hat.
    »Nett«, sagte sie stattdessen.
    Ihre Mutter biss in das Brot und begann zu kauen. Dabei schaute sie hinunter auf den Rhein. »Heute Abend kommt Michael.«
    Sabrina durchforstete ihr Gedächtnis nach nahestehenden Freunden oder Verwandten, bis ihr einfiel, wen Franziska damit gemeint haben könnte. »Dein Freund?«
    »Er ist nicht mein Freund.«
    »Was dann? Dein Two-Night-Stand?«
    Franziska ließ das Brot sinken und schenkte ihrer Tochter einen Blick, der wohl sagen sollte, dass sie diese Reaktion bereits erwartet hatte. »Er würde dich gerne kennenlernen.«
    »Warum, wenn er nicht dein Freund ist?«
    »Er könnte es ja vielleicht werden.«
    »Ach so. Na dann.« Sabrina hob die Flasche und trank sie in einem Zug fast bis zur Hälfte aus. »Lasst euch von mir nicht stören.« Es klang genauso bitter, wie es gemeint war. Schon wieder war sie im Weg. »Ich übernachte bei Amelie.« Das war gar keine schlechte Idee, denn wenn Kilian bereits auf dem Weg den Rhein runter war, musste irgendjemand ihre Freundin trösten. Genauso leidenschaftlich, wie sie sich
verliebte, stürzte sie sich auch in den Kummer, wenn etwas schiefgelaufen war.
    Doch Sabrinas Mutter war damit gar nicht einverstanden. »Ich möchte aber, dass du da bist. Er ist wirklich nett. Er wird dir gefallen.«
    »Seit wann kommt es darauf an, ob mir jemand gefällt?«
    Statt einer Antwort packte ihre Mutter den Rest des Brotes weg. »Hattet ihr Streit? Du und Amelie?«
    »Nein. Wie kommst du darauf?«
    »Weil du so miesepetrig bist. – Sabrina, glaube mir: Ich habe nichts gegen sie. Aber ihr seid so verschieden. Und dann der Altersunterschied. Zwischen sechzehn und achtzehn liegen Welten. Amelie ist schon eine junge Frau, und du -«
    »Ich bin das Baby. Ja? Wolltest du das sagen?« Wütend stand Sabrina auf. Das fehlte noch, jetzt eine Freundschaftsanalyse aus dem Mund ihrer Mutter.
    »Nein«, sagte Franziska. »Du bist mein Kind. Ich habe versucht, dich vor der Welt zu beschützen, und bin dabei vielleicht ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Und dann kommt so ein lebensfrohes junges Geschöpf, das unter ganz anderen Bedingungen groß geworden ist, und setzt dir seine Flausen in den Kopf. Ich kann das ja verstehen. Aber dein Weg und ihr Weg – sind nicht dieselben.«
    »Du verstehst gar nichts.«
    »Was ich damit meine, ist: Lehne Dinge

Weitere Kostenlose Bücher