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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Versuch, mit all dem weiterzuleben.«
    Der Schmerz explodierte. Sie hätte am liebsten laut geschrien vor Wut. Wie konnte er es wagen, einfach hier aufzukreuzen und sich in ihre Trauer einzumischen? Doch dann sah sie ihn da stehen, das Gesicht halb abgewandt, mit hängenden Schultern und irgendwie in sich zusammengefallen, als ob der ganze kräftige Körper nur noch von der Bügelfalte
seiner Jeans gestützt wurde, und sein Anblick löste in ihr eine unerwartete Welle von Mitgefühl aus.
    »Entschuldige.« Sie hob hilflos die Arme, aber er sah sie nicht und hörte sie vielleicht noch nicht einmal. »Ich hab’s nicht so gemeint.«
    »Hör mal …« Er drehte sich zu ihr um. »Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?«
    Sabrina hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit dieser Frage.
    »Ich muss mal mit jemandem über alles reden. Du und Amelie, ihr wart doch befreundet. Mir geht so vieles im Kopf herum, was ich nicht auf die Reihe kriege.«
    »Was denn?«
    »Nicht hier. Nicht wenn du ein Fass putzt.«
    »Wir haben leider keine Polinnen, die das für uns erledigen.«
    Er zuckte zusammen, als hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst.
    Sie ärgerte sich über sich selbst. Langsam wurde sie zu einer richtigen Kratzbürste. »Okay. Das war nicht fair. Wenn du so mit mir gesehen werden willst, dann können wir gerne zu Salinger gehen.«
    Offenbar war ihm gar nicht aufgefallen, wie sie aussah. Die Haare verstrubbelt und schweißverklebt, die alte Arbeitshose voller Flecken und Weinbergstaub, und an den Stiefeln klebten verkrustete Erdklumpen.
    »Mir macht das nichts aus. Aber ich will dich natürlich nicht von der Arbeit abhalten.«
    »Nichts lieber als das«, antwortete Sabrina.
     
    Wenig später saßen sie an der Steinmauer unter einer alten Kastanie. Der Weingarten war immer noch gut besucht. Erst jetzt wurde Sabrina bewusst, dass es Sonntag war. Sie hatte in den letzten Wochen völlig das Gefühl für die Wochentage verloren.
    Lukas bestellte Kaffee und Kuchen. Etwas anderes gab es
nicht am Nachmittag, wenn der Koch Pause machte. Der Wind säuselte durch die Blätterkrone und ein paar Schritte entfernt fielen Kastanien auf den Kies. Sabrina schaute auf den Rhein. Ein Schiff fuhr vorbei, und in diesem Moment hatte sie das Gefühl, als würde ihr jemand in den Magen treten. Es war die Maxima . Der Anblick brachte sie so aus dem Konzept, dass sie Lukas’ Frage überhörte.
    »Sabrina, ist alles okay?«
    »Ja«, antwortete sie mit Verzögerung und versuchte, beim Luftholen so tief wie möglich einzuatmen. »Ja, danke. Was denkst du gerade?«
    Ihr fiel auf, wie nervös Lukas seine Hände bewegte. Immer wieder legte er sie aufeinander, zuckte zurück, spielte mit einem Bierdeckel und konnte sie einfach nicht ruhig halten.
    »Sie … Amelie, hat sie irgendetwas über mich gesagt?« Er sah Sabrinas fragenden Blick und räusperte sich. »Hat sie mal über mich gesprochen?«
    »Kaum.«
    Er nickte und biss sich auf die Lippen. »Aber wenn, wie war das dann?«
    Der Kellner brachte zwei Kännchen Kaffee und zwei Teller mit Blechkuchen. Sabrina sah sich um, ob sie jemanden an den Nachbartischen kannte. Langsam konnte sie Amelie verstehen. Heiße Dates sahen anders aus als nachmittags mit brav gescheitelten Erben beim Damengedeck zu sitzen. Sie überlegte, wo er sein Sportboot gelassen hatte und ob er es noch benutzte. Gerade wollte sie den Mund öffnen und ihn fragen, da fiel ihr auf, dass er sie die ganze Zeit angesehen und jede Regung in ihrem Gesicht registriert hatte. Sie versuchte ein halbherziges Lächeln. Er konnte ja nichts dafür, so brav geboren worden zu sein und offenbar nie über die Stränge geschlagen zu haben.
    Doch Lukas bohrte weiter. »Ich meine, wie hat sie über mich gesprochen?«
    Sabrina runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht so ganz …«
    »Klar. Ja.« Er schob sich hastig eine Gabel mit Kuchen in
den Mund und kaute darauf herum. »Naja«, sagte er und schluckte. »Ich wusste nie, woran ich mit ihr war. Mal hatte ich das Gefühl, sie wollte was von mir, und dann war sie wieder so … kalt.«
    »Kalt«, wiederholte Sabrina. Sie stocherte in ihrem Kuchen herum und schob den Teller schließlich weg. »Nein, kalt war sie nicht.«
    »Ich meine das ja auch nicht so. Versteh mich nicht falsch, aber ich habe viel für sie empfunden. Ich hatte das Gefühl, aus uns würde mal was werden. Manchmal.«
    Er blinzelte. Sabrina sah, wie Tränen in seine Augen stiegen. Amelies »Strategie« war wohl aufgegangen. Leider zu

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