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Lilienblut

Lilienblut

Titel: Lilienblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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spät, denn Kilian war dazwischengeraten und hatte alle Pläne, die Lukas und Amelie betreffen könnten, zunichte gemacht.
    Und als ob ihr Gegenüber plötzlich Gedanken lesen könnte, fragte er: »Wer ist er?«
    Sabrina schüttelte den Kopf.
    Lukas’ Hand schnellte über den Tisch und packte so schnell ihren Unterarm, dass sie ihn nicht mehr zurückziehen konnte. »Ist da was gelaufen zwischen diesem Killer und ihr?«
    »Du tust mir weh!«
    »Entschuldige«, stammelte er und ließ sie los. »Entschuldige bitte. Ich bin nur immer noch so aufgewühlt. Sabrina, erzähl mir, was an dem Abend passiert ist. Ich muss es wissen. Alles.« Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht. »Wenn sie sich doch nur mit mir getroffen hätte. Dann wäre das alles nicht passiert. Manchmal denke ich, ich hätte sie einfach abpassen und entführen sollen. Lächerlich, nicht? Ausgerechnet jemand wie Amelie gibt mir einen Korb.«
    »Jemand wie Amelie?«, flüsterte Sabrina. »Wie meinst du das denn?«
    Lukas sah sie um Verständnis bittend an. »Du weißt doch, wie sie war. So unberechenbar. So ganz anders als alle anderen. Einzigartig. Ich kenne keine Frau, die ihr das Wasser reichen konnte. Sorry, wenn ich das so sage …« Er schüttelte gedankenverloren den Kopf und starrte auf das Wasser, in
dem sich funkelnd die letzten schrägen Lichtstrahlen brachen, bevor die Sonne hinter den Bergrücken verschwand und lange Schatten über das Tal fielen. »Ich habe so was noch nie für eine Frau empfunden. Ich glaube, ich habe sie geliebt.«
    Es war der erste Satz, den Sabrina von Lukas hörte, der ihr wirklich naheging. Unwillkürlich berührte sie mit ihren Fingern seine Hand. Die Hand, die sie eben noch so fest gepackt hatte.
    Dankbar senkte er den Kopf. »Es ist ja nie was Richtiges geworden aus uns. Ich werde das schon wuppen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, die Erinnerung schnürt mir die Luft ab.«
    »Mir geht es genauso«, sagte Sabrina. Lukas’ plötzliches Bekenntnis brach etwas in ihr auf, von dem sie geglaubt hatte, sie müsste es allein mit sich herumtragen. Plötzlich spürte sie, dass da noch jemand war, der ihre Freundin geliebt hatte und der genau wie Sabrina ratlos und verletzt zurückgeblieben war.
    »Ein Gefühl …«, fuhr er fort. »Wenn nur irgendetwas an diesem Tag eine Winzigkeit anders verlaufen wäre, wenn ich irgendetwas hätte tun können, um das ungeschehen zu machen …« Jetzt weinte er. Eine Träne rollte seine Wange hinunter und tropfte auf den Kuchen.
    Sabrina ließ ihn los, zupfte eine Serviette aus dem Ständer und reichte sie ihm. »Mach dir keine Vorwürfe«, antwortete sie, obwohl sie selbst jede Nacht wach lag und genau das Gleiche dachte. Hätte sie Amelie umstimmen sollen? Hätte sie das überhaupt gekonnt? »Niemand konnte sie aufhalten. Sie wollte fort.«
    »Ja. Sie wollte fort.«
    Zusammen saßen sie da und schwiegen. Zwei Zurückgelassene, dachte Sabrina. Egal, ob sie nach Argentinien oder über einen Regenbogen gegangen ist, sie hat uns zurückgelassen.
    Schließlich erhob Lukas noch einmal die Stimme. »Wo ist dieser Kerl?« Lukas schien einen ziemlichen Hass auf den Fremden zu haben, der ihm Amelie genommen hatte. Egal,
auf welche Weise das geschehen war. »Wenn ich wüsste, wo er ist, ich würde ihn …« Er ballte eine Faust. »Ich verstehe die Polizei nicht. So ein Schiff kann doch nicht einfach verschwinden! Es muss doch irgendeine Spur geben! Drei Tage hat er am toten Fluss geankert. Und niemandem soll da etwas aufgefallen sein? Verstehst du das?«
    Sabrina schüttelte den Kopf. So unwahrscheinlich es klingen mochte, aber Kilian hatte sich wirklich gut vor allen Blicken versteckt. Warum er das getan hatte und wohin er wirklich gewollt hatte, das waren Fragen, die Sabrina seit dieser Nacht keine Ruhe mehr ließen.
    »Er hat sich in Luft aufgelöst. Ein Gespenst. Der Fliegende Holländer. Das Totenschiff.«
    Nicht das. Nicht diese schrecklichen Worte.
    »Das Totenschiff«, wiederholte er leise. »Wie vor acht Jahren.«
    Es war, als hätte jemand die Welt eingefroren und die Luft noch dazu. Sabrina sah auf das Wasser und hatte einen Moment die Vision eines bleichen Gespensterschiffs, das sich fahl und durchsichtig aus den Fluten erhob.
    »Was war vor acht Jahren?«
    »Ach, alte Geschichten. Vergiss es. Ich wollte nicht damit anfangen.«
    Lukas stand auf, ohne abzuwarten, ob sie ihm folgen würde. Er lief zu dem Kellner, der gerade mit dem Abräumen eines anderen Tisches beschäftigt

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