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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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aufgerissenen Augen.
    »Ronny stand drunter.«
    »Los, komm.« Franz riss mich am Arm und wir rannten los. Hinter mir klapperten Julias Absätze.
    Zunächst sah es schlimm aus. Als wir zur Bühne kamen, lag Ronny umringt von den anderen am Boden. Sogar Alexander Friedmann war durch den Knall aus seiner mahagonigetäfelten Intendanten-Klause geschreckt worden. Hilflos trat er von einem Bein aufs andere und strich sich verwirrt sein weißes Haar aus der Stirn. »Herr Romer«, rief er mit hoher Stimme. »Wo waren Sie denn? Wie konnte das nur passieren? Es ist entsetzlich!«
    Franz ignorierte ihn, bahnte sich einen Weg durch das erschütterte Ensemble und beugte sich zu Ronny hinunter. Das Fahrrad war tatsächlich auf ihn gestürzt, sein Bein klemmte zwischen den Speichen.
    »Wie geht’s dir? So weit alles in Ordnung? Bei Bewusstsein bist du ja immerhin.«
    »Lass dich nicht täuschen. Meine Augen sind zwar offen, aber der Rest befindet sich im komatösen Schock.« Ronnys Humor war eine seiner hilfreichsten Eigenschaften.
    »Wir müssen dieses Monstrum da zuerst einmal hochheben.«Julia unterbrach die beiden und zeigte auf das Rad.
    »Sie hat recht. Worauf wartet ihr?«, zischte Franz in die Runde und packte das Rad am Lenker. Heinrich Wilde, der den Leopold spielte und einen gewaltigen Eselskopf und Fellhandschuhe trug, fasste, so gut es ging, mit an, und gemeinsam befreiten sie Ronnys verdrehtes Bein aus den Speichen.
    »Lassen Sie mich bitte mal sehen«, bat Julia die beiden Männer, die erleichtert zur Seite rückten, und ging neben Ronny in die Hocke. Vorsichtig schob sie sein Hosenbein nach oben und fuhr anschließend mit ihren schmalen, kräftigen Händen tastend über sein Bein. »Tut das weh?«, fragte sie prüfend, während sie auf eine Stelle unterhalb des Knies drückte.
    »Schon, aber es ist zum Aushalten.« Er verzog sein Gesicht.
    »Und hier?« Ihre Hand lag jetzt auf seinem Schienbein.
    »Besser wird es nicht.«
    Julia nahm das Bein zwischen die Hände und bewegte es behutsam. »Gebrochen scheint mir nichts zu sein. Aber ich bin kein Arzt. Sie müssen gründlich untersucht werden. Wir bringen Sie jetzt auf jeden Fall ins Krankenhaus. Glauben Sie, Sie können aufstehen?«
    Mit Hilfe von Franz und Heinrich, der seinen Eselskopf inzwischen abgenommen hatte, zog Ronny sich hoch, das verletzte Bein angewinkelt. Sie setzten ihn auf einen Stuhl, den Sonja herbeigezerrt hatte, und blickten dann wieder hilflos auf Julia.
    »Ein Glas Wasser würde ihm bestimmt guttun. Besorgen Sie ihm bitte eins?« An Franz gewandt übernahm sie weiterhin die Führung, bevor sie zu Friedmann sagte:»Und Sie können mir sicherlich zeigen, wo ich mit den ›Barmherzigen Brüdern‹ telefonieren kann. Ein Freund von mir praktiziert dort in der Orthopädie. Ich kann es zwar nicht versprechen, aber vielleicht kommt dieser Herr dann früher dran.«
    »Ja, natürlich, Frau   … äh   …« Seine Verwirrung nahm noch zu.
    »Lambert. Julia Lambert.«
    »Frau Lambert. Ja, bitte kommen Sie mit. Ich zeige Ihnen das Büro.« Er wandte sich zum Gehen.
    »Kommen Sie noch mal zurück?« Franz sah Julia eigentümlich an.
    »Natürlich. Ich habe nach wie vor Hunger. Eigentlich wollte ich mit Undine essen gehen.«
    »Und warum beißen Sie dann nicht endlich in Ihr Brötchen?«
    ***
    Wir aßen gemeinsam mit Franz. Nachdem wir Ronny ins Krankenhaus gebracht und vom Arzt erfahren hatten, dass das Bein wirklich nicht gebrochen, aber stark geprellt sei, begleiteten wir ihn in seine Wohnung und gingen, allerdings nicht, ohne ihn vorher mit Salben aus der Apotheke, Tee und ein paar belegten Broten zu versorgen, anschließend in einen kleinen Biergarten am Rande des Westends. Dort war das Essen gut und erschwinglich und die Plätze unter Kastanienbäumen waren kühl und schattig. Als wir dort ankamen, war es schon weit nach acht und mit einem Schlag wurde ich müde. Ich zog mich aus dem Gespräch zurück, was nicht ins Gewicht fiel, da Julia und Franz die Unterhaltung auch ohne mich mühelos bestritten. Anfänglichhörte ich ihnen noch zu, aber dann schweifte ich ab und verlor mich in meinen Gedanken an Christian. Wir hatten am Mittag telefoniert und uns für das Wochenende verabredet. Morgen würde er sich mit ein paar Verlagsleuten in Zürich treffen und hatte darüber gestöhnt, bei der Hitze eine solche Strecke fahren zu müssen. Während Franz und Julia jetzt bei den Filmen von Woody Allen angelangt waren, grub ich mein Handy hervor und schrieb

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