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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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Beziehung auf pragmatische Beine stellt, ich muss mich verlieben. Und das ist mein Weg dorthin.«
    »Was ist mit dem Lilienrupfer?«
    Über die kleinen Lichter des Armaturenbrettes hinweg warf ich Julia ein Lächeln zu: »There is tumult in my body.«
    »Originell ausgedrückt.«
    »Und trifft es im Kern.«
    »Gilt es für beides? Körper plus Geist?«
    Ich dachte an das vorangegangene Wochenende und lächelte noch einmal. »Ja, so könnte man es sehen.«
    ***
    Datum: 24.   Mai 2007 23.01   Uhr
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Neue Freunde
     
     
    Lieber Robbie,
     
    weißt Du eigentlich, weshalb ich irgendwann angefangen habe, Dir diese spleenigen E-Mails zu schreiben, die in Wahrheit weiß Gott wo landen? MIR fiel es vor ein paarMinuten wieder ein. Mein Abfalleimer solltest Du sein oder vielmehr ein Spiegel jener Männer, mit denen ich schon viel zu viel Zeit in meinem Leben verplempert habe. Schimpfen wollte ich und Antworten von Dir kriegen, warum man sich so mies verhalten kann. Ich hoffte, ich könnte sie im Kopf hören, wenn ich Dir schriebe. Und wirklich: Manchmal hat es funktioniert.
    Und jetzt? Von wegen Abfalleimer! Einen Freund habe ich aus Dir gemacht und aus dem Schimpfen wurde ein Schwärmen. Antworten DARAUF, nein, die gibt es nicht, wofür ich allerdings diesen misanthropischen Zug an Dir verantwortlich mache. Der will das nämlich nicht. Der will weiterhin und wie gewohnt kleine und große Zynismen loswerden, nur dass mein Kopf dafür augenblicklich nicht auf Empfang geschaltet ist.
    Also wäre es doch logisch, den ganzen E-Mail -Kram einzustellen. Aber das will ich nicht. Nicht jetzt, wo es anfängt, schön zu werden. Außerdem – und ich gebe es zu – ist da noch mein missionarischer Eifer.
    Shit   …! Siehst Du, jetzt höre ich Dich doch und ja, ich weiß, missionarischer Eifer in Liebesdingen ist so ziemlich das Erste, womit man seinem Gegenüber gewaltig auf den Senkel gehen kann. Aber glaub mir: Ich will hier keine Gemeinplätze, Parolen, Sinnsprüche oder Therapiesentenzen von mir geben, sondern einfach weitererzählen. Und seien wir doch mal ehrlich – außer ›Sexed Up‹, ›Sin Sin Sin‹, ›Strong‹ und ›Come Undone‹ hast Du doch auch ›Angels‹ gesungen oder ›Eternity‹ und ›Feel‹. Was ich damit sagen will: Ganz frei von Sehnsucht nach dem, was Du besingst, bist auch Du nicht. Und weißt Du, nicht einmal Scrooge war das.
     
    Es ist jetzt fast eine Woche her, dass ich Dir geschrieben habe. Vom ersten Abend mit Christian habe ich Dir bereits erzählt und Dich danach in Ruhe gelassen. Aber ganz ehrlich, es brennt mir auf der Seele, auch alles andere loszuwerden, obwohl ich befürchte, dass diese geschriebene Glücksorgie mehr dazu geschaffen ist, Deine rechte Augenbraue bis an den Haaransatz schnellen, als Deinen Mund lächeln zu lassen. Sei’s drum. Im Augenblick schalte ich Skepsis oder Vorsicht aus und suhle mich stattdessen selig in diesem Bad aus Herzklopfen, Sehnsucht, Nicht-Essen-Können und Schlaflosigkeit.
     
    Nach unserem Abendessen verbrachten Christian und ich auch den Rest des Wochenendes miteinander. Am Samstag trafen wir uns nach den Proben in der »Antica Trattoria«. Seltsam, wie wenig der Mensch im Grunde doch braucht, welch lächerlich kleine Bedeutung zuvor wichtig Gewesenes plötzlich bekommt, schleicht sich allmählich jenes Wort in die Gedanken, das enttarnend und zugleich befreiend ist   … Wusstest Du übrigens, dass auch die Bonobos, eine Primaten-Art im Dschungel des Kongo, nicht ohne Liebe leben können? Sie brauchen sie körperlich wie geistig. Sonst werden sie depressiv und sterben manchmal innerhalb von Stunden an ihrer Trauer.
    Darf man das? Darf
ich
das? So schnell von Liebe sprechen? Ist es nicht übereilt? Sollte ich es nicht mit viel mehr Besonnenheit aussprechen, dieses viel besungene, oft geschriebene, schnell dahergesagte, kurze, mächtige Wort: Liebe?
    Robbie, glaub mir, ich gehöre zu denen, die damit eher zaghaft umgehen, doch am letzten Wochenende tauchte es plötzlich auf, tanzte durch meinen Kopf und schlängeltesich in mein Herz, obwohl ich ihm so kritisch dabei zugesehen habe wie Olli, wenn Stan Späßchen machte. Aber nichts zu machen. Es tanzte völlig unbeeindruckt weiter.
     
    Wir waren an die Osterseen gefahren. Sonntagnachmittag. Dreißig Grad, Sonne, ein Traum. Christian holte mich zu Hause ab. Er küsste mich an der Haustür, er küsste mich im Auto. Als er mich auf der Wiese am

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