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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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nach das Amüsanteste sei, was der Buchmarkt derzeit zu bieten habe.
    »Und daran sind Sie, Frau Busch, nicht unschuldig«, sagte sie am Schluss. »Ihre E-Mails waren eine ausgezeichnete Grundlage, und soweit ich weiß, hat ____ ______ sie auch nur geringfügig geändert, um sie seiner Rahmenstory anzupassen.«
    Außerdem erzählte sie mir, dass die Heldin des Buches jetzt Jane hieße und nicht am Theater arbeite, sondern eine Schneiderin war, die ein eigenes kleines Atelier besaß. Aus Christian war Christopher geworden – das sei in England geläufiger – und sein Geld verdiene er als Architekt. Ich könne das Ganze ja bald selbst lesen, denn sie würde sich wieder melden, sobald ein Termin mit ____ _______ abgesprochen sei und wir uns alle träfen.
    ***
    Neun Tage später, ausgerechnet an meinem siebenunddreißigsten Geburtstag, rief sie an und fragte, ob mir der dreizehnte des Monats passen würde. Natürlich passte mir das. Sie gab mir die Adresse, fügte hinzu, sie würde mich um halb zwei erwarten und Mr ______ brächte auch Rebecca Williams mit. In diesem Fall übernehme der Verlag auch deren Reisekosten, denn ohne Mrs Williams gäbe es das Buch ja nicht. Außerdem freuten sich alle sehr auf mich. So gefasst wie möglich erwiderte ich, das ginge mir genauso, und spürte dabei mein Herz bis zum Hals klopfen.
     
    Obwohl ich Till und vor allem Julia und Franz gebeten hatte, nichts weiterzuerzählen, sickerte die Geschichte natürlich im Theater durch. Ich hatte mich bei meiner Arbeit, die sich eher im Hintergrund abspielte, trotzdem nie über zu wenig Aufmerksamkeit beklagen können, ich war nie unsichtbar gewesen, aber diese Bewunderung, die mir auf einmal entgegengebracht wurde, kannte ich nicht und ich gestehe, sie gefiel mir sehr.
    Der Empfang im Hause Römer war herzlich und nahm mir dennoch nichts von meiner Aufregung. Als ich das hohe, Erhabenheit atmende Entrée betrat, an dessen Wänden ich unzählige Schwarz-Weiß-Porträts berühmter Schriftsteller entdeckte, kam Anette Schmitt bereits auf mich zu. Ich schätzte sie auf Anfang vierzig, ihr schmales Gesicht, in dem grünbraune Augen wach leuchteten, wurde von dunklem lockigem Haar umrahmt, ihre Bewegungen waren sparsam und ihr Lächeln von liebenswürdiger Zurückhaltung. Sie drückte mir fest die Hand, während ihr Blick mich forschend musterte.
    »Es freut mich, dass wir uns endlich kennenlernen. Ichwar ganz gespannt auf Sie. Die anderen sind schon da und warten. Wollen Sie rasch noch Ihren Mantel ablegen?« Sie sprach prononciert und ihre Stimme klang höher, als ich sie in Erinnerung hatte. Sie nahm mir den Mantel ab und übergab ihn einer jungen Frau, die plötzlich aufgetaucht war und gleich wieder verschwand. Mein Herz begann wieder nervös zu klopfen, während ich der Lektorin durch die Weitläufigkeit mosaikgefliester Gänge folgte, bis wir schließlich einen großen holzgetäfelten Raum betraten, der von einem dunklen Refektoriumstisch beherrscht wurde, um den herum ein paar Leute saßen. Zwei Männer, einer davon auf Krücken, und eine Frau unterhielten sich mit dem Rücken zu uns an einem großen Fenster, das zum Garten zeigte. Ich hatte mir im Internet verschiedene Fotos von ____ ______ angesehen und erkannte ihn sofort an seinem Kopf mit den kurz geschorenen Haaren und den spitz zulaufenden Gollum-Ohren. Er sagte noch etwas zu dem anderen Mann und drehte sich dann zu uns um. Sein Blick wanderte fragend von mir zu Anette Schmitt, und als sie zustimmend lächelte, kam er rasch auf uns zu.
    »You must be Undine Busch«, seine Stimme klang so sanft, wie seine Augen blickten.
    »And you must be Mr«, antwortete ich und erwiderte sein Lächeln.
    »Please call me ____. And let me add, that I hardly couldn’t wait to meet you.«
    Wir blickten uns noch immer lächelnd an, als Anette Schmitt sagte: »Darf ich Ihnen auch alle anderen hier vorstellen, Frau Busch? Mr ______ und Sie finden sicher noch genügend Zeit zum Reden. Ich nehme außerdem an, Sie können es kaum erwarten, Rebecca Williams die Hand zu schütteln.«
    Ich hörte sie kaum, denn in diesem Moment erst schien es mir bewusst zu werden,
wem
ich hier gegenüberstand. Ich hatte alle Bücher dieses Mannes gelesen und jedes einzelne geliebt. Durch meine E-Mails teilte ich auf eine vertrauliche und doch öffentliche Art meine Geheimnisse mit ihm. Ein Teil
meines
Leben war Teil
seines
Romans – unglaublich.
    Ich versuchte, mich zu sammeln, und wandte meinen Blick Rebecca Williams zu. Da

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