sinnend.
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Datum: 15. Februar 2008 19.21 Uhr
Von:
[email protected] An:
[email protected]ömer.de
Betreff: Übersetzung ›Lily Picker‹
Liebe Anette Schmitt,
zuerst möchte ich mich noch einmal für den herzlichen Empfang in Ihrem Haus bedanken. Meine Bedenken, ich könnte mich fremd und unsicher fühlen, haben Sie sofort zerstreut, im Gegenteil sogar, ich fühlte mich willkommen und schnell zugehörig. Sicher können Sie sich vorstellen, mit welchem Staunen ich dem Geschehen noch immer gegenüberstehe und wie sehr meine Gedanken darum kreisen.
Einzig, dass ein Mann den ›Lily Picker‹ übersetzen soll, mutet mich ein bisschen seltsam an. Bitte unterstellen Sie mir jetzt keine Besserwisserei, ich will mich auch in nichts einmischen, was mich gar nichts angeht – es fiel mir eben auf und ich habe mich gefragt, ob es nicht effektiver oder vielleicht auch »angemessener« sei, den Roman von einer Frau übersetzen zu lassen. Denn schließlich erzählt die Geschichteja auch aus weiblicher Sicht und hätte durch das »Händchen einer Frau« womöglich einen höheren Grad an Authentizität.
Noch einmal: Bitte sehen Sie das nicht als Einmischung, es ist lediglich ein Vorschlag, den Sie ja vielleicht überdenken mögen.
Ansonsten freue ich mich auf alles Weitere, vor allem auf die englische Ausgabe des ›Lily Picker‹.
Herzliche Grüße
von Ihrer
Undine Busch
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Einen Tag, nachdem ich die E-Mail abgeschickt hatte, rief ____ ______ an und fragte, ob ich Lust auf ein Treffen hätte. Es gäbe schließlich noch viel zu besprechen. Ich sagte zu, und wir trafen uns am Abend im Literaturcafé am Salvatorplatz. Er war schon da, als ich ankam, und bereits von Weitem fiel mir wieder sein klug-sanfter Blick auf und dieses Lächeln, das nicht nur um seine Lippen und Augen spielte, sondern auch seinem Inneren zu entströmen schien. Er war attraktiv auf eine leise und zurückhaltende Art, einer von denen, die man erst auf den zweiten oder dritten Blick bemerkt, aber es war etwas ungeheuer Sympathisches an ihm, das ihn sehr anziehend machte. Er begrüßte mich mit zwei Wangenküssen, und als ich mich setzte, musste ich mir eingestehen, dass ich es als schmeichelnd empfand, mit ihm hier zu sein und in seinen Augen Wärmendes zu lesen. Es ist nicht daran zu rütteln, dass die Zuneigung einesgeschätzten Menschen weitaus wertvoller ist als die eines anderen, der für einen selbst nur wenig bedeutet. Zu ____ ______ hatte es mich schon durch den Inhalt seiner Bücher hingezogen, und obwohl ich ihn noch nicht lange kannte, sah ich dieses Gefühl jetzt bestätigt. Wir sprachen dieselbe Sprache.
Wir bestellten einen halben Liter Nero d’Avola und zweimal Focaccia mit Parmaschinken und Ruccola, sprachen über seinen Aufenthalt in München, über das Buch und schließlich darüber, warum ich die E-Mails überhaupt geschrieben hatte.
Ich zuckte die Achseln und sagte, ich könne es nicht genau erklären. Vielleicht sei es der Wunsch nach Antworten gewesen auf das, was mich bewegt hatte. Was allerdings Blödsinn sei, da ja nur ich selbst geantwortet hätte und nie eine Stimme von außen kam.
»Bis auf die von Rebecca«, sagte ____.
»Ja, bis auf die von Rebecca.«
»Ich habe gestern mit Anette Schmitt gesprochen«, fuhr er fort. »Sie sagte, du hättest ein Problem mit einem männlichen Übersetzer.«
Ich fühlte mich in der Falle. Ich hatte gehofft, mich nicht weiter erklären zu müssen.
»Ein Problem ist vielleicht etwas übertrieben ausgedrückt«, entgegnete ich und versuchte zu lächeln. »Ich dachte eben, eine Frau wäre näher dran am Thema, weil sie eben – na ja – eine Frau ist …«
»Aber das Buch wurde doch von einem Mann geschrieben.« Sein Blick verlor nichts an Sanftheit, musterte mich nur aufmerksamer.
»Der von einer Frau dazu inspiriert wurde, nicht wahr?«, erwiderte ich lächelnd.
Die Fältchen um seine Augen kräuselten sich stärker. »Das stimmt. Entschuldige, wenn ich dir jetzt zu nahe trete, aber ich glaube nicht, dass dein Problem ein
männlicher
Übersetzer ist, sondern vielmehr, dass
Christian
der Übersetzer ist.«
»Das verstehe ich nicht ganz«, sagte ich, während mein Herz stolperte.
»Hm«, machte er darauf und wiegte den Kopf, »das glaube ich dir nicht. Entschuldige meine Direktheit, vielleicht lehne ich mich gerade ein Stück zu weit aus dem Fenster, aber ich habe das Gefühl, du verstehst mich ziemlich gut.« Er hielt inne und trank einen