allein. Da nutzt die ganze Emanzipation nix.«
»Nein?«, fragte ich und überlegte gleichzeitig, ob der Ehemann dieses Vögelchens sich nicht manchmal nach einer molligen und frohen Glucke sehnte.
»Nein«, bekräftigte Franz und fügte hinzu: »Geben wir ihr Eimer und Schäufelchen und lassen sie mitspielen. Sie ist eins von den braven Kindern. Und ihr wird es guttun. Übrigens: Julia hat heute Morgen etwas von Schweinebraten und Knödeln gesagt. Willst du mitkommen und mit uns essen?«
»Klar, will ich«, sagte ich und applaudierte Julia innerlich zu ihrem Timing. Die Szene
verlangte
nach einem Schweinebraten.
***
Um ein Uhr in der Nacht kam ich satt und gutgelaunt nach Hause. So erstaunlich es war, aber der Besuch in Tutzing hatte mir einen Kick gegeben und der Abend bei Franz und Julia ohnehin. Sie waren vor drei Monaten zusammengezogen, und einmal mehr rosa Herzen um ihre Gesichtertanzen zu sehen, hatte mich von dem ohnehin alten Hut überzeugt, dass es für Liebe keine vorgeschriebene Zeit im Leben gab. Sie konnte in jeder geschehen.
Vor mich hin summend und in der Hoffnung, meiner Lethargie endlich zu entkommen, zog ich mich aus, ging ins Bad und ließ vorher den Rechner hochfahren. Als ich abgeschminkt und mit geputzten Zähnen ins Wohnzimmer zurückkam, war das E-Mail -Programm bereit und ich wählte mich ein. »Erstkontakt« stand in der Betreffzeile eines unbekannten Absenders und ich dachte an ein Versicherungsangebot. Danach Werbung, außerdem hatte Till geschrieben, er habe ein tolles neues Buch, das ich unbedingt lesen müsse. Ich notierte den Titel und öffnete schließlich die letzte Nachricht, die von meinem Vater stammte und in der er fragte, ob ich Ostern nach Hause käme. Als ich das las, musste ich lachen. Bis Ostern waren es noch zwei volle Monate, aber ich kannte die Manie meines Vaters, alles am liebsten ein halbes Jahr im Voraus zu planen, und antwortete, dass ich an den Feiertagen gern heimfahren würde, aber erst sehen müsse, wie es mit dem Theater klappte. Ich schickte die Mail ab und kontrollierte danach die anderen. Parfums zum Sonderpreis und der Hinweis eines Luxus-Klamotten-Versands, dass die Handtasche der Firma G das Must-Have des kommenden Frühlings sei – ich löschte beide und las schließlich die letzte:
Datum: 25. Januar 2008 10.43 Uhr
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Erstkontakt
Sehr geehrte Frau B.,
bitte entschuldigen Sie die unzulängliche Anrede, aber da ich leider nicht in Kenntnis Ihres Familiennamens bin, muss ich mit dem unpersönlichen »B.« vorliebnehmen. Ihre Mail-Adresse wurde mir von Rebecca Williams aus Rochester, England, mitgeteilt, die ja selbst schon Kontakt mit Ihnen aufgenommen hat. Ihr Schreiben an Sie liegt auch mir vor. Wie mir Mrs Williams nun sagte, zeigten Sie sich der Sache gegenüber skeptisch – was ich durchaus verständlich finde – und baten darum, der deutsche Verlag von Mr ______ möge sich doch per elektronischer Post mit Ihnen in Verbindung setzen. Auf diese Weise könnten Sie dann zurückrufen und sich von der Richtigkeit des Ganzen überzeugen.
Sehr geehrte Frau B., so unglaublich es klingen mag, aber Mrs Williams hat Ihnen die Wahrheit gesagt. Damit Sie nun wissen, mit wem Sie es zu tun haben: Mein Name ist Anette Schmitt und ich bin Lektorin beim Römer Verlag in München. Bitte rufen Sie mich doch in den nächsten Tagen unter 089 - 1354 - 381 zurück, damit wir über alles sprechen und dann auch einen Termin vereinbaren können.
Bis dahin verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Ihre
Anette Schmitt
***
Meine Befürchtungen, die Zeit bis Montag würde nur schwer herumgehen – denn noch lag ein ganzes Wochenende vor mir –, zerschlugen sich rasch. Diesmal hatte ich nicht gezögert, Julia und Franz anzurufen und in den Hörer zu jauchzen. Bereits eine halbe Stunde später hatte ich mich in ihrem Wohnzimmer wiedergefunden, wo wir bis sechs Uhr früh mit drei Flaschen Valdobbiadene feierten. Danach verschlief ich den kompletten Samstag und rief am Sonntagmorgen Till an, mit dem ich am Abend ausgiebig weiterfeierte und abermals spät ins Bett kam.
Am Montagmorgen riss ich mich zusammen und rief Anette Schmitt erst gegen zwölf an. Mit freundlicher Stimme bestätigte sie alles, was Rebecca Williams mir geschrieben hatte, und fügte hinzu, ›Lily Picker‹ sei ein Roman geworden, der Lebensklugheit mit Herz verbinde und ihrer Meinung