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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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als sonst, aber das fiel nicht weiter auf, denn Birgit plauderte und erzählte unentwegt.
    »Und dann fummelte der mir doch während des Gesprächs in meinen Haaren herum, und als ich ihn darauf ansprach, meinte er, eine Biene habe sich darin verfangen. Albern, nicht?«, erzählte sie später, als wir beim Essen saßen, von der Begegnung mit einem bekannten amerikanischen Schauspieler, während sie kleine Stücke von ihrem Schnitzel schnitt und mit Kartoffelsalat in den Mund schob. Ich machte irgendeinen Witz, während ich im Stillen über die Diskrepanz zwischen meinem Inneren und Äußeren nachdachte. Es war mir niemals in den Sinn gekommen, sie könne überhaupt existieren. Mir selbst erschien mein Auftreten nur selten souverän genug, da ich meistens mit irgendwelchen Selbstzweifeln und Ängsten kämpfte. Und schon immer hegte ich den Verdacht, es stünde mir auf der Stirn geschrieben.
    ***
    »Deine Fassade ist großartig«, sagte Christian vier Abende später mit einem Lächeln, nachdem wir darüber gesprochen hatten. »Dir steht nichts auf der Stirn.«
    Ich hatte es letztendlich doch nicht ausgehalten undeinem Treffen zugestimmt. Wir trafen uns im »Baccus«, einem Italiener in der Nymphenburger Straße, der – jauchz – ein kleines Separée für Raucher eingerichtet hatte und es als »Geschlossene Gesellschaft« deklarierte.
    Es war leichter gewesen, als ich mir vorgestellt hatte. Wir waren gleichzeitig vor dem Restaurant eingetroffen und hatten uns halb verlegen die Hand gereicht. So viel Bitteres war mir seit diesem Telefonat damals durch den Sinn gegangen, aber als ich Christian mit unsicherem Blick und schiefem Lächeln vor mir sah, musste ich dieses Lächeln einfach erwidern. Wir gingen hinein und zogen, kurz nachdem wir Platz genommen hatten, gleichzeitig unsere Zigaretten hervor. Als wir uns ansahen und lachten, war es wie eine Befreiung.
    »Es hat schon fast dieselbe Unwirklichkeit wie eine Szene bei Murakami, wieder in einem Restaurant zu sitzen und zu rauchen«, sagte Christian und ließ das Feuerzeug schnipsen. »Noch dazu in einem schönen. Man will es kaum glauben.«
    »Ja«, antwortete ich und hielt ihm meine Zigarette entgegen. »Fast, als säße man zu Prohibitionszeiten in einer verruchten Spelunke und müsse jeden Augenblick mit einer Razzia rechnen.«
    »Und dann knüppeln sie dich in einen Polizeiwagen mit dem Vorwurf, ein Selbstmordattentäter zu sein: Du zündest dir eine an und reißt Tausende mit in den Tod.«
    Wir lachten beide noch einmal und blickten schließlich verlegen zur Seite. Kurz darauf kam die Kellnerin, nahm die Bestellung auf und gab uns damit ein paar Augenblicke, um uns zu fangen. Nachdem sie gegangen war, holte ich Luft. »Du hast geschrieben, es gäbe vieles, was du mir erklären wolltest. Darf ich direkt sein? Ich würde es gern hören.«
    Er nahm einen Schluck von seinem Wein und antwortete: »Es ist schwerer, als ich gedacht habe. Ich habe keine Ahnung, wie und womit ich beginnen soll.«
    »Du sagtest damals«, half ich ihm tapfer, »du seist nicht in mich verliebt und wolltest dein Leben nicht aufgeben. Dein Herz sei nicht dabei. Beginnen wir doch damit.«
    »Ja, ich erinnere mich, dass ich das gesagt habe, und das Merkwürdige war, dass ich es in diesem Moment genauso empfunden habe. Als seien meine eigenen Worte imstande gewesen, ein Gefühl zu löschen und ein neues zu suggerieren. Ich kann es mir nicht erklären, wie das möglich war, denn es war nicht das, was ich in den Wochen davor empfunden hatte.«
    »Aha«, erwiderte ich hilflos.
    »Erst nachdem ich ›Lily Picker‹ gelesen und begriffen hatte, wie verletzend und unverständlich das für dich gewesen sein muss, habe ich über mein Verhalten nachgedacht. Ich habe es gesagt, weil ich nicht in dich verliebt sein
wollte
. Dieser Satz war quasi eine Selbstbeschwörung. Ein Mantra oder etwas in der Art.«
    »Ein Mantra. So. Und weshalb musstest du dich selbst beschwören? Weshalb wolltest du nicht verliebt in mich sein? Es war doch so schön vorher. Alles.« Der letzte Satz flog beinahe flehend aus meinem Mund, ohne dass ich es wollte.
    Er zögerte, bevor er die Augen hob und mich ansah: »Ich weiß, dass es unverständlich klingen muss, aber ich hatte Angst.«
    »Angst? Du hattest Angst? Wovor denn? Wenn ich mich vor etwas fürchte, dann suche ich nicht erst die Gefahr. Wenn du dich nicht verlieben willst, weshalb sprichst du dann Frauen an?«
    »Weil ich nicht anders kann. Weil ich ein Mann bin.«
    »Ach

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