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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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so,
die
Geschichte.«
    »Welche Geschichte?«
    »Die vom Skorpion. Der nicht anders kann, als zu stechen.«
    »Eine wahre Geschichte.«
    »Eine faule Ausrede.«
    Wir schwiegen beide sekundenlang.
    »Weshalb hattest du Angst?«, fragte ich schließlich. »Lag es an mir? Habe ich irgendetwas gesagt, getan   …?«
    »Nein, das hast du nicht. Du warst süß, bezaubernd, das, was man sich wünscht, aber   …«
    »Aber?«
    »Es ging mir sehr gut mit dir, und ich hatte nicht einen Augenblick lang vor, das zu tun, was ich schließlich getan habe. Aber nach dieser Nacht«, er zögerte kurz und musterte mich rasch, »du weißt schon, nach dieser Nacht   … unserer Nacht, da ist etwas geschehen, womit niemand rechnen konnte. Es hat mich völlig aus der Bahn geworfen, ich war wie von Sinnen und hatte das Gefühl, nie wieder einen Menschen oder vielmehr eine Frau ertragen zu können.« Mit einem Mal sah er angespannt aus, die Falten um seinen Mund traten schärfer hervor, seine Heiterkeit hatte ihn verlassen.
    »Bitte, mach es nicht ganz so spannend«, versuchte ich locker zu bleiben und griff erneut nach einer Zigarette.
    »Erinnerst du dich noch? Ich habe dich am Morgen nach Hause gebracht und fuhr dann weiter zu einem Termin. Als ich nach Mittag wieder heimkam, wartete Isolde vor der Tür auf mich.«
    »Isolde?«
    »Weißt du nicht mehr, die Frau   …«
    »Doch, ich weiß. Die Frau, mit der du Susanne betrogen hast. Ich habe die Geschichte nicht vergessen. Was war denn? Ich dachte, das mit ihr wäre längst perdu.« Ich hörte selbst, wie scharf meine Stimme beim letzten Satz klang. Wenn er jetzt sagt, er hat auch dich betrogen, dachte ich mit plötzlich hämmerndem Herzen, dann gehe ich auf der Stelle und spreche nie wieder ein Wort mit ihm.
    »Ja, das war es auch. Zumindest für mich. Es war ja auch schon eine ganze Weile her. Aber als ich sie an diesem Tag wiedergesehen habe, da wusste ich mit einem Blick in ihr Gesicht, dass es
das nicht
war.«
    »Du sagtest mir damals, du hättest sie nicht geliebt. Für sie sei es mehr gewesen als für dich.« Meine Stimme klang plötzlich brüchig und ich war mir nicht mehr sicher, ob ich seine Geschichte hören wollte. Es war schon fast ein Jahr her, der ganz große Schmerz war vorbei – ich brauchte ihn nicht noch einmal.
    »Das stimmt. Ich habe es gesagt, und so war es auch. Aber ich habe dir auch erzählt, dass sich Isolde und ihr Mann damals getrennt haben – wegen mir. Ganz ehrlich, ich habe es nicht sonderlich ernst genommen und gedacht, sie finden schon wieder zusammen. Aber   …«
    »Aber was?«
    »Das haben sie nicht. Wie sie mir erzählt hat, kam er zwar immer wieder zurück und flehte und bettelte um eine neue Chance, aber sie wollte nicht mehr. Sie sagte ihm, die Geschichte mit mir habe ihr die Augen endgültig über ihre Ehe geöffnet, sie liebe ihn schon lange nicht mehr, es sei nur ein müdes Nebeneinander, sie langweile sich und könne den Gedanken, er würde sie jemals wieder anfassen, kaum ertragen. Sie hätten sich viel zu früh kennengelernt, viel zu früh geheiratet und nun sei sie zu jung, um sich damitfür den Rest ihres Lebens abzufinden, und selbst wenn die Geschichte mit mir im Sand verlaufen sei, sie ginge nicht mehr zu ihm zurück.«
    »Und?«, fragte ich, weil er plötzlich innehielt, und dachte gleichzeitig, dass mich das alles nicht sonderlich erstaunt. Solche Geschichten hörte man ständig. Plötzlich kam mir ein Gedanke: »Haben sie Kinder?«
    »Einen Jungen. Den wollte sie natürlich behalten. Für ihren Mann muss gerade die Trennung von dem Kind das Furchtbarste gewesen sein. Es sei sein Ein und Alles gewesen, sagte Isolde, er hing abgöttisch an ihm.«
    »Wieso ›gewesen‹, wieso ›hing‹?« Mir entging diese Feinheit in seiner Wortwahl nicht.
    »Damals, ein paar Tage vor deiner Premiere, hatte er noch einmal versucht sie zu überreden, zu ihm zurückzukommen. Aber sie blieb eisern und das Ganze eskalierte in einem gewaltigen Streit. Sie brüllten sich an, dass die Nachbarn schließlich damit drohten, die Polizei zu holen. Sie sagte, er sei außer Rand und Band gewesen, habe sie beschimpft und sei auf sie losgegangen, dass sie es mit der Angst bekam. Das Kind war da und weinte die ganze Zeit und schließlich warf sie ihn aus der Wohnung. Vom Fenster aus sah sie noch, wie er nach draußen zu seinem Auto stürmte und   …« Christians Feuerzeug klickte, und er nahm einen tiefen Zug, bevor er zögernd weitersprach. »Er hatte einen

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