Lilientraeume
mir besser geht? Oder traurig, weil ich nicht helfen kann? Auf alle Fälle hat mich die Lektüre total deprimiert.«
»Mir ist es ähnlich ergangen. Es hat mich an Lebertran erinnert, der angeblich gut für mich war, den ich aber trotzdem kaum runterbekam. Mag ja sein, dass man Nutzen oder Lehren aus diesem Buch zu ziehen vermag, doch ich selbst fand es nicht gut für mich.«
»Genau.« Avery nahm einen Thriller aus dem Schaufenster und überflog den Klappentext. »Außerdem will ich, wenn ich gemütlich auf der Couch liege und lese, keinen Lebertran, sondern heiße Schokolade oder ein Eis mit Karamellsoße. Jetzt, wo ich davon rede, merk ich, wie hungrig ich bin.«
Sie wandte sich wieder der Freundin zu und streckte lächelnd eine Hand nach ihrem Becher aus. »Danke. He, du siehst ein bisschen fertig aus.«
»Ich bin heute Morgen nicht ganz auf dem Damm.«
»Fang dir um Gottes willen nichts mehr ein.« Avery bedachte sie mit einem sorgenvollen Blick. »Du heiratest in weniger als einem Monat und darfst unter keinen Umständen krank werden.«
Clare schüttelte den Kopf. »Ich hab mir nichts eingefangen – jedenfalls nicht so, wie du denkst. Das Wort Umstände war gar nicht so falsch von dir gewählt.« Sie atmete tief durch. »Ich bin nämlich schwanger.«
»Was? Jetzt? Schwanger wie in Baby an Bord ?«
»Ja. Ganz genau.« Lachend griff Clare sich an den Bauch und sah plötzlich kein bisschen blass und kränklich, sondern kerngesund und strahlend aus.
»O Clare, du Heuchlerin. Dir geht’s total gut.« Avery stellte ihren Kaffeebecher hin, lief hinter den Tresen und schlang Clare die Arme um den Hals. »Ich freu mich für dich. Seit wann weißt du es? Wie weit bist du? Was hat Beck gesagt?«
»Ich weiß es gerade erst, bin also ganz am Anfang, war bisher nicht beim Arzt und hab Beckett bislang nichts davon gesagt.«
»Warum nicht?«
»Weil du mir einen Gefallen tun musst. Du fährst doch gleich nach Hagerstown, oder?«
»Ja. Zum Einkaufen.«
»Könntest du mir dort bitte einen Schwangerschaftstest besorgen?«
»Du hast noch keinen gemacht? Wieso bist du dir dann so sicher?«
»Weil mir schon zum zweiten Mal in Folge nach dem Aufstehen übel war. Ich kenn die Symptome, denn schließlich verfüge ich über einige Erfahrung. Außerdem bin ich ständig müde, und mein Körper fühlt sich … irgendwie anders an. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll«, sagte sie und betastete Bauch und Busen. »Bevor ich es Beckett verrate, will ich sichergehen, dass es kein Fehlalarm ist. Und hier oder in Sharpsburg möchte ich nicht in die Apotheke gehen, du weißt schon …«
»Es würde sich sofort herumsprechen.«
»Genau, und weil du sowieso nach Hagerstown fährst, dachte ich, du könntest mir so einen Test besorgen.«
»Mit Vergnügen. Wow. Hochzeit, erste Flitterwochen zu zweit, zweite Flitterwochen mit den Jungs und jetzt zusätzlich ein Baby an Bord. Beckett wird außer sich sein, oder?«
»Vor Freude hoffe ich.« Sie holte ein Ginger Ale aus dem Kühlschrank unter dem Tresen. »Eigentlich hatten wir noch ein paar Monate warten wollen, aber offensichtlich haben wir nicht ernsthaft aufgepasst. Wenn ich richtig gerechnet habe, werden wir im nächsten Januar zu sechst sein.«
»Darf ich es Hope erzählen, wenn ich sie später treffe? Wenn nicht, ist es auch kein Problem.«
»Warten wir lieber das Testergebnis ab. Sobald Beckett es weiß, kannst du es ihr erzählen.«
»Okay, bis dahin wird mein Mund versiegelt sein. Das ist eine wirklich gute Nachricht. Eine wunderbare Nachricht sogar«, sagte sie und schlang Clare erneut die Arme um den Hals. »Ich werde gleich losfahren, ohne zur Baustelle zu gehen. Damit du deinen Test so schnell wie möglich bekommst. Ich bin ja so schrecklich gespannt und beeil mich auch nach Kräften. Junge, Junge!«
»Es wäre mir lieber, wenn du ›Mädchen, Mädchen‹ denken würdest«, meinte Clare lächelnd. »Ich weiß, dass es eigentlich total egal ist, aber ich hoffe sehr auf eine kleine Tochter.«
»Dann mach dir einfach rosige Gedanken«, riet Avery. »Ich bin so schnell wie möglich zurück.«
»Warte, ich geb dir einen Schirm. Draußen schüttet es immer noch.«
»Schon gut. Ich hab einen im Auto.« Sie rannte durch die Tür und war klitschnass, bis sie wieder hinter dem Steuer ihres Wagens saß.
Trotzdem war sie während der ganzen Fahrt nach Hagerstown in glänzender Laune.
Auch Owen befand sich auf dem Weg nach Hagerstown. Er hatte sich kurzfristig dazu
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