Lilientraeume
so viel ungewohnter Albernheit verwundert die Brauen hoch. »Wie dem auch sei, dann planen wir den Umzug einfach für die Woche nach der Hochzeit. Und wie war euer Abend?«
»Super.« Hope zog die Beine unter ihren Körper. »Wir hatten sogar einen Überraschungsgast. Ich hab ihren Duft immer mal wieder gerochen – und mir komm t ’s sogar so vor, als habe sie sich vom Sekt bedient. Können Geister so was? Jedenfalls stand bei meiner letzten Runde ein leeres Glas oben im E&D.«
»Ich hatte sie eingeladen, nach unten zu kommen.« Nachdenklich trank Avery den ersten Schluck von ihrem Tee. »Ich war kurz vorher oben und hatte irgendwie das Gefühl, als ob sie traurig sei. Um sie aufzumuntern hab ich ihr dann von der Party und Clares Schwangerschaft erzählt. Es scheint ihr gefallen zu haben.«
»Typisch, dass du an so was denkst«, murmelte Owen. »Was mich betrifft, so hab ich mich inzwischen mit ihrer Familie befasst. Außer unserer Eliza gab es noch eine jüngere Schwester und zwei ältere Brüder, von denen einer im Krieg geblieben ist. Der andere überlebte, heiratete und setzte vier Kinder in die Welt. Und ein paar Jahre später hat die Schwester ebenfalls eine Familie gegründet: Bei ihr waren es fünf Kinder, von denen eins im Säuglingsalter starb. Die Schwester selbst erreichte ein hohes Alter und wurde über neunzig. Sie lebte übrigens in Philadelphia. Vielleicht könntest du dich darum kümmern, Hope, denn dort verfügst du über die besseren Kontakte.«
»Okay.«
»Kennst du eine Schule namens Liberty House?«
Hope hob überrascht den Kopf. »Allerdings. Warum?«
»Bei meinen Recherchen kam ich irgendwie vom Thema ab und stieß rein zufällig auf die Liberty House School, die 1878 von der Schwester unserer Lizzy mitbegründet wurde. Damals eine Pioniertat, denn Mädchen und Frauen hatten in jener Zeit so gut wie keinen Zugang zu Bildung und Ausbildung. Heute ist das Institut eine angesehene Privatschule, die auch Jungen aufnimmt.«
»Tolle Schule, ich war selbst dort.«
»Echt?« Überrascht beugte sich Owen vor und stützte seine Unterarme auf den Oberschenkeln ab. »Das ist ja hervorragend. Hast du vielleicht auch Zugang zu den Schularchiven?«
»Davon geh ich aus.« Hope stellte ihren Becher auf den Tisch. »Und wie hieß die Schwester?«
»Äh, Catherine.«
»Und mit Nachnamen? Ich meine nach ihrer Heirat.«
»Darby. Catherine Darby. Sofern ich mich recht erinnere, trägt die Schulbibliothek ihren Namen.«
»Mein Gott, langsam wird mir die Geschichte unheimlich … Wollt ihr wissen, warum? Weil nämlich jene Catherine Darby, die die Schule mitbegründete, meine Urururgroßmutter war.«
»Ist ja ein Ding …« Avery fiel vor lauter Staunen die Kinnlade herunter, doch plötzlich sprang sie wie elektrisiert auf. »Dann wärst du ja mit unserem Hausgeist verwandt als so eine Art Urururgroßnichte.«
Owen konnte es kaum glauben. »Bist du dir völlig sicher?«
Hope bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Owen, ich bitte dich. Ich werde doch meine Familiengeschichte kennen. Zudem hab ich von der Vorschule bis zum Ende der Highschoolzeit die Liberty besucht. Genau wie meine Schwester und mein Bruder, wie vor uns meine Mutter und mein Onkel und meine Grandma mütterlicherseits. Das ist bei uns Familientradition. Aber bevor du fragst: Ich weiß leider sonst wenig über meine Vorfahren. Für mich war Catherine Darby immer nur die alte Frau auf dem Gemälde in der Bibliothek. Dass wir verwandt sind, war mir zunächst ebenso unbekannt wie ihr Geburtsname Ford. Schade eigentlich, denn jetzt könnten wir das gut gebrauchen.«
»Glaubst du, irgendjemand aus deiner Familie könnte ein bisschen mehr wissen?«
»Keine Ahnung, aber ich frag gerne mal nach. Das alles ist wirklich ausgesprochen seltsam. Und unheimlich. So, und deshalb mach ich mich jetzt auf den Heimweg, um die Neuigkeit in aller Ruhe zu verdauen und Lizzy mit ganz anderen Augen zu sehen.«
»Soll ich mitkommen und heute Nacht bei dir bleiben?«
»Nein, nicht nötig. So unheimlich ist es nun auch wieder nicht. Schließlich sind wir, meine Hausgefährtin und ich, ja Verwandte.«
Owen wollte aufstehen, um sie bis zum Hotel zu begleiten, doch Hope wehrte mit einem leisen Lachen ab. »Also bitte. Die paar Meter über den Markt schaff ich mit Sicherheit allein. Ist lieb gemeint, aber unnötig.«
Avery brachte die Freundin zur Tür. »Ruf an, falls du Gesellschaft brauchst, okay?«
»Mach ich. Allerdings ist es meist besser für mich,
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