Lilientraeume
Kind bekommen, und dann geht’s mir gleich besser.«
Als Clare sich an den Bauch griff, meinte Avery mit einem leichten Grinsen: »Lass das lieber, man sieht nämlich nichts. Und deshalb solltest du nicht darauf aufmerksam machen.« Dann zog sie die Freundin in den Speisesaal.
»Na, gefällt es dir?«, erkundigte sich Hope.
»Es ist wunderschön, einfach wunderschön. All die Blumen und Kerzen. Und dieser Thron, gigantisch!« Clare wollten vor lauter Rührung die Tränen kommen. »Sorry, ich bin im Moment total nahe am Wasser gebaut. Wobei ich nicht sagen kann, ob das an meinem Glück oder an den Hormonen liegt. Ich könnte schon losheulen, wenn Beck mir wie heute Morgen das Frühstück macht.«
»Eine Braut hat alles Recht der Welt, bei ihrem Junggesellinnenabschied rührselig zu sein«, erklärte Hope.
»Also dann, tausend Dank für alles. Nicht nur für die Mühe und Arbeit, das alles zu organisieren, sondern auch und vor allem dafür, dass ihr immer für mich da seid und ich mich immer auf euch verlassen kann.«
»Wenn du so weitermachst, fangen wir gleich an zu schluchzen«, warnte Avery. »Deshalb bring ich jetzt erst mal deinen Mantel weg, bevor ich es ganz vergesse.«
Sie eilte ins Foyer, hängte den Mantel an die Garderobe und wollte schnell wieder zurück, als irgendetwas sie zum Innehalten bewog. Sie ging zum Fuß der Treppe, denn von dort meinte sie, etwas gehört oder eher gefühlt zu haben. Statt in den Speisesaal zu den Freundinnen zurückzukehren, lief sie in den ersten Stock hinauf.
Die Tür des Elizabeth-und-Darcy-Zimmers stand offen. Was nichts heißen musste, denn Hope hatte für Clares Gäste die Türen der unbewohnten Räume geöffnet, damit sie sich ungehindert umsehen konnten. Im E&D jedoch war obendrein die Balkontür offen, und ein Hauch von Geißblatt wehte mit der kühlen Märzluft hinein.
Avery spürte einen Hauch von Trauer oder Wehmut. Was von beidem, wusste sie nicht so genau.
»Bitte, komm herein«, murmelte sie. »Komm wieder zurück ins Haus. Ich weiß, dass du unglücklich bist, aber Owen versucht deinen Billy zu finden. Und bis dahin bist du nicht allein. Es ist nämlich schrecklich, sich einsam und verlassen zu fühlen. Ich hab jahrelang darunter gelitten.«
Sie machte einen Schritt in Richtung Tür und blieb abwartend stehen. »Dabei war ich eigentlich gar nicht allein, ich hab es mir nur eingebildet. In Wirklichkeit war immer jemand für mich da, selbst als mir alles schwer und ausweglos vorkam. Und auch du bist nicht alleine, denn wir sind für dich da.«
Sie zögerte und überlegte, womit sie Lizzy, die eine romantische junge Frau zu sein schien, locken konnte. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Du musst es allerdings für dich behalten. Es ist etwas sehr Schönes. Wenn du reinkommst, erzähl ich es dir.«
Wie in Zeitlupe glitt die Balkontür zu, und Avery setzte sich abwartend aufs Bett. Der Geißblattduft verstärkte sich leicht. »Wir feiern heute Abend unten eine Party. Clares Junggesellinnenabschied.« Da sie sich nicht sicher war, ob es so etwas zu Elizas Zeiten bereits gegeben hatte, fügte sie hinzu: »Das macht man, wenn ein Mädchen heiratet. Da feiert man noch einmal mit allen Freundinnen, Männer sind nicht eingeladen. Es gibt zu essen und zu trinken, wir veranstalten lustige Spiele und bringen der Braut Geschenke mit. Aber Clares Geheimnis kennen nur ganz wenige. Sie hat sicher nichts dagegen, wenn ich es dir verrate, weil du sie, Beckett und die Jungen gernhast. Sie sind eine echt nette Familie, und in ein paar Monaten kommt Zuwachs. Clare ist nämlich schwanger.«
Lizzy schien näher zu kommen, denn der Duft wurde intensiver.
»Du freust dich für sie, das ist schön. Schließlich hast du mitbekommen, wie sie sich ineinander verliebt haben, denn immerhin ist es im Hotel passiert – und jetzt werden sie hier ihre Hochzeit feiern. Alles an ihnen kommt mir so sicher und so stark und völlig richtig vor. Das ist etwas Seltenes, meinst du nicht auch? Den Menschen zu finden, der genau zu einem passt und der sämtliche Lücken füllt, das ist nicht jedem vergönnt …«
Sie senkte den Kopf, und dicke Tränen tropften auf die Hand, die den kleinen Schlüssel aus Platin, der an einer Kette um ihren Hals hing, fest umklammert hielt. »Clares Tränen scheinen ansteckend zu sein. Denn eigentlich bin ich nicht traurig …«
Etwas strich ihr sanft über das Haar, und sie fragte sich, weshalb diese Berührung derart tröstlich war. »Ich bin nicht
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