Lilientraeume
hat Lizzy angestellt?«
»Um Himmels willen.« Ryder setzte seine Baseballkappe ab und raufte sich das dichte, dunkle Haar. »Hast du uns etwa herzitiert, um ernstlich über Geister zu reden?«
»Murphy war gestern im E&D, alleine. Die Zimmertür war geschlossen, während die Balkontür offen stand. Er ist gerade mal sechs Jahre alt, und ich möchte nicht, dass er noch mal ohne Begleitung dieses Zimmer betritt. Lizzy in allen Ehren. Ohne ihre Warnung wären wir sicher nicht rechtzeitig bei Clare gewesen, als Sam Freemont bei ihr eingestiegen ist. Wir Erwachsenen können damit umgehen, irgendwie zumindest, aber für einen kleinen Jungen ist das nichts.«
»In Ordnung.« Ryder setzte seine Kappe wieder auf. »Zur Abwechslung geb ich dir mal völlig recht. Mir selbst geht die ganze Sache mit diesem Geist entsetzlich auf die Nerven.«
Beckett schüttelte den Kopf. »Es ist schon merkwürdig. Vor allem, dass sie angeblich mit Murphy redet. Er hat ihr von der Schule und den Welpen erzählt, und sie hat ihn nach seiner Familie gefragt.«
»Dann hatte der Zwerg also eine nette Unterhaltung mit einem Geist«, warf Ryder sarkastisch ein. »Vielleicht sollte man ihm eine eigene Fernsehsendung besorgen unter dem Motto ›Die Geisterwelt zu Gast bei Murphy‹ . «
»Wirklich witzig«, kommentierte Beckett, bevor er fortfuhr. »Was aber vor allem interessant ist: Sie hat ihm erzählt, dass sie gerne auf dem Balkon steht und auf die Straße hinunterschaut. Weil sie nämlich auf jemanden wartet. Auf einen Billy. Nachdem es wieder Leben und Licht in dem Gebäude gebe, werde er sie sicher bald finden. Sagt Murphy.«
»Und wer ist Billy?«, wollte Ryder wissen. »Hat Murphy euch das auch verraten?«
»Nein, mehr weiß er nicht.«
»Warum schaut ihr plötzlich mich so komisch an?«, fragte Owen. »Ich war nicht dabei, kam erst später dazu. Ich weiß es nur von Avery, die den Jungen daraufhin zu Clare schickte.«
»Ja, und dann hat er uns die Geschichte erzählt. Aber was außerdem total merkwürdig ist: Als ich runter zu euch wollte, ließ sich die Tür nicht öffnen – als sei sie von innen verriegelt gewesen.«
»Dann hat Lizzy sich wohl einen kleinen Scherz erlaubt.« Owen zuckte mit den Schultern. »Wäre ja nicht das erste Mal.«
»Und bestimmt nicht das letzte«, murmelte Ry.
»Okay«, stimmte Beckett seinen Brüdern zu und wandte sich an Owen. »Alles gut und schön. Nur als du mir die Tür geöffnet hast, sahst du aus, als hätte dir jemand einen Schlag versetzt. Darum interessiert mich, was sonst noch in dem Zimmer passiert ist, nachdem Murphy weg war.«
»Nichts Besonderes.«
»Schwachsinn.« Ryder machte eine wegwerfende Bewegung. »Eigentlich möchte ich lieber nicht an Gespenster und Geister glauben, doch wie du später im Vesta ausgesehen hast – wie eine Henne, die auf einem Nest voller kaputter Eier sitzt –, da denk ich genau wie Beck, dass noch mehr vorgefallen sein muss. Etwas Erschreckendes.«
»Nun spuc k ’s schon aus, Owen.«
»Also gut. Avery hat mir das von Murphy erzählt und war total aufgeregt. Vor allem weil Lizzy auf diesen Billy wartet. Sie fand das unglaublich romantisch – wie in einem Roman oder Film. Liebe über den Tod hinaus und dieses ganze Zeug. Ihr wisst ja, wie rührselig Avery manchmal sein kann.«
»Ach wirklich?« Ryder zuckte die Achseln. »Mit mir hat sie sich noch nie über solchen Kram unterhalten.« Er blickte Beckett fragend an. »Mit dir etwa?«
»Nein. Aber schließlich bin nicht ich, sondern er ihr allererster Freund gewesen.«
»So ein Blödsinn.« Owen scharrte mit den Schuhspitzen auf dem Boden und erklärte halb erbost, halb verlegen: »Sie war damals fünf oder sechs, also bitte.«
»Trotzdem. Sie hat uns immer erklärt, dass sie dich später heiratet«, rief Beck ihm grinsend in Erinnerung. »Und dass ihr dann drei Hunde, zwei Katzen und fünf Kinder kriegt. Oder war es andersrum? Drei Kinder und fünf Hunde?«
»Außerdem hast du ihr damals einen Ring geschenkt«, fügte Ryder boshaft hinzu.
Sie trieben ihn in die Enge. »Aus einem verdammten Kaugummiautomaten, um Himmels willen. Was bezweckt ihr eigentlich mit eurem blöden Gerede? Ich war kaum älter als sie.«
»Aber du hast sie geküsst«, stellte Beck süffisant fest.
»Das ist einfach passiert! Da war dieses Gerede von Liebe und Romantik, dann der Geruch von Geißblatt. Avery lehnte an der Balkontür, als dein blöder Geist sie plötzlich wieder aufstieß, und dann flog sie geradewegs in
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