Lilientraeume
kennt euch schon von Kindheit an, oder? So ähnlich wie Clare und Beckett.«
»Das kannst du nicht vergleichen. Eher war es so wie bei mir und Clint«, wandte Clare ein. »Beckett hab ich früher bloß als guten Freund betrachtet.«
»Und bei Avery und Owen war das anders?«, hakte Hope nach. »Wollt ihr mich bitte endlich aufklären?«
»Sie waren mal verlobt«, sagte Clare grinsend und prostete Avery mit ihrem Weinglas zu.
»Was?« Hope riss die schokoladenbraunen Augen auf. »Wann? Warum weiß ich davon nichts? Das ist ja der Hit schlechthin.«
»Ich war noch ein Kind, fünf oder sechs. Weil unsere Väter einander sehr nahestanden, unternahmen die Familien viel gemeinsam. Und ich hab damals eben für Owen geschwärmt.«
»Sie hat ihm sogar einen Heiratsantrag gemacht – oder vielmehr rundheraus erklärt, dass sie heiraten würden, sobald sie erwachsen seien.«
»Ist ja süß.«
Avery zuckte die Schultern. »Er fand das sicher alles furchtbar peinlich – immerhin war er schon acht. Trotzdem behandelte er mich weiterhin sehr nett. Und unglaublich geduldig.« Bei dem Gedanken wurde ihr Gesicht ganz weich, und aller Unmut verschwand. »Immerhin hab ich ihn zwei Jahre lang mit meiner Anhimmelei belästigt.«
»Wirklich eine reife Leistung von dir«, frotzelte Hope.
»Du kennst mich doch. Wenn ich mir was in den Kopf setze, geb ich nicht so schnell wieder auf. Aber dann – es hat mir fast das Herz gebrochen – fing er plötzlich an, mit Kirby Anderson herumzuhängen. Die war mir damals mit ihren zehn Jahren haushoch überlegen, diese Schlampe.« Ihre Miene wurde hart, als sei das alles gerade erst passiert. »Ich glaubte, die Welt würde für mich zusammenbrechen, und hatte zunächst mal von Jungs die Nase voll.«
»Du solltest zu Hopes Information hinzufügen, dass Kirby Anderson inzwischen eine ehrbare Ehefrau und Mutter ist. Also keinesfalls das wurde, was du ihr in deinem Zorn unterstellt hast.«
»Aber irgendwann warst du darüber hinweg, richtig?«, erkundigte sich Hope.
»Sicher. Schließlich bin ich nicht der Typ, der allzu lange jammert. Und kaum jemand bleibt schließlich gleich bei der ersten Liebe hängen.« Sie schnitt ein Stück Käse ab und schob es sich in den Mund. »Vor allem nicht, wenn es sich um einen solchen Blödmann handelt.«
Clare tätschelte ihr beruhigend die Hand. »Gib ihm eine Chance. Wahrscheinlich ist er nur unsicher – auch in Bezug darauf, was du denkst. Du weißt, wie viel du ihm und allen anderen Montgomerys bedeutest.«
»Ja.« Sie stieß einen Seufzer aus. »Es war ein wirklich toller Kuss. Ich muss zugeben, dass er in den letzten zwanzig Jahren viel dazugelernt hat.« Sie lachte. »Ich hätte auf alle Fälle nichts dagegen, ihn noch mal zu küssen.«
»Nur küssen?«, fragte Hope gedehnt. »Oder denkst du an mehr?«
»So genau hab ich darüber bislang nicht nachgedacht. Aber wo du es ansprichst – warum eigentlich nicht? Er sieht gut aus, küsst gut – da ist der Rest vermutlich auch nicht so schlecht.«
»Das heißt, du würdest mit ihm schlafen?«
»Hm.« Nachdenklich blickte Avery in ihren Wein. »Ja, wir sind beide erwachsen und derzeit ungebunden. Solange wir wissen, was wir tun, wäre das okay.«
»Irgendwie bin ich froh, dass mir momentan nicht der Sinn nach solchen Sachen steht. Was nicht nur mit meiner neuen Aufgabe zu tun hat, sondern mit Jonathan und dem desaströsen Ende unserer Beziehung. Nein: Männer, Rendezvous und Sex stehen bei mir im Augenblick einfach nicht auf dem Plan.«
»Vorsicht«, warnte Clare. »Du weißt, wie es manchmal mit Plänen läuft.«
Hope lachte. »Aber nicht wenn man so gut plant wie ich.«
Owen schlief nicht gut in dieser Nacht und war folglich am Morgen wie gerädert und schlecht gelaunt. Er ärgerte sich über sich selbst, zumal ihm das sonst nie passierte. Die Fähigkeit, in allen Lebenslagen gut zu schlafen, gehörte ebenso zu seinen Persönlichkeitsmerkmalen wie sein Organisationstalent.
Statt jedoch nach einem harten Arbeitstag und einem einstündigen Fitnesstraining, gefolgt von einem Entspannungsbad in seiner großen Wanne, einfach die Augen zuzuklappen und bis morgens durchzuschlafen, hatte er sich stundenlang ruhelos in seinem Bett gewälzt.
Eigentlich war es sein Plan gewesen, übers Wochenende kein Werkzeug mehr anzufassen und keine Rechnungen oder Terminpläne durchzusehen. Aber was zum Teufel sollte er den ganzen lieben Tag lang tun, nachdem er schon vor Sonnenaufgang aufgestanden war?
Wie nicht
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