Lilientraeume
Atticus, brachte wie üblich aufgeregt und erwartungsvoll einen seiner unzähligen durchgekauten Bälle an, während sein Bruder Finch neben ihm hersprang und ihn zu einer Rangelei auffordern wollte.
Ja, sagte sich Owen, es war höchste Zeit für einen Hund.
Er fuhr die lange Auffahrt zum Haus hinauf und sah zu seiner großen Überraschung den Truck von Willy B. vor dem Haus stehen. Was machte Averys Vater zu dieser frühen Stunde bei seiner Mutter? Nun ja, dachte er, vielleicht wollte er ihr seine neuesten Metallskulpturen zeigen – schließlich verkaufte sie seine Sachen in ihrer Geschenkboutique. Und zudem waren sie alte Freunde. Warum sollten sie nicht Geschäftliches bei einem Kaffee besprechen?
Er stieg aus, warf den Ball für die Hunde, woraufhin sie erfreut davonstoben, und ging Richtung Hintertür. Schon von Weitem hörte er Musik und schüttelte den Kopf. Typisch Justine – sie drehte immer die Lautstärke bis zum Anschlag auf. Als er die Tür öffnete, roch er den Duft von frisch gebratenem Speck und von Kaffee. Da kam er ja gerade rechtzeitig, freute er sich und trat erwartungsvoll in die Küche.
Er wäre um ein Haar rückwärts wieder rausgegangen, und die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. Neben seiner Mutter, die am Herd Speck ausbriet, stand hünenhaft Willy B. in weißen Boxershorts. Knetete lustvoll Justines Hinterteil und küsste sie zärtlich auf den Mund.
5
Die beiden waren dermaßen miteinander beschäftigt, dass sie ihn erst spät bemerkten. Durchaus möglich, dass ihm ein Schreckensschrei entschlüpft war. Er hoffte zwar nicht, doch beschwören würde er es nicht.
Auf jeden Fall wich seine Mutter, die unter dem offenen Morgenmantel nur rote Pyjamashorts und ein viel zu dünnes weißes Tanktop trug, eilig einen Schritt zurück. Sah Owen ins Gesicht, blinzelte … und brach in lautes Lachen aus.
Willy hingegen wurde so rot, dass sein Gesicht beinahe die gleiche Färbung aufwies wie sein wirres Haar.
»Was …?« Owen war dermaßen schockiert, dass er keinen zusammenhängenden Satz herausbrachte. »Was … Ich meine, ihr beiden … Das ist doch …?«
»Ich mach uns gerade Frühstück, falls du das fragen wolltest«, antwortete Justine vergnügt. »Und jetzt werde ich einfach ein paar zusätzliche Eier in die Pfanne schlagen.«
»Ja, aber du … Äh, was … Mom.«
»Hier, trink erst mal einen Kaffee, und dann probierst du es mit einem ganzen Satz.«
Willy B. hatte sich ebenfalls noch nicht wieder gefangen. »Also, ich … Nun ja, ich zieh mir am besten erst mal was an«, stotterte er und tapste davon.
»Mom, was geht hier vor?«
»Das siehst du doch.« Justine schaute ihn lächelnd an. »Jetzt setz dich endlich hin und trink deinen Kaffee, Schatz.«
»Was …?«
Justine nahm den Speck mit einer Zange aus der Pfanne und ließ ihn etwas abtropfen. »Ich kann dir nicht antworten, solange du keinen gescheiten Satz über die Lippen bringst. Also, was?«
Ein dicker Kloß saß ihm in der Kehle, und mehrmals musste er sich räuspern. »Was machst du da? Mit ihm. Und nackt.«
Justine zog die Brauen hoch und blickte an sich herab. »Ich bin nicht nackt.«
»Aber beinahe.«
Sie unterdrückte ein neuerliches Lächeln und schloss den Morgenmantel. »Besser?«
»Ja. Nein. Keine Ahnung. O Gott, mein Schädel. Ist er explodiert?« Owen betastete vorsichtig seinen Kopf.
Justine zog die Tür des großen Kühlschranks auf und nahm die Eier und die Milch heraus. »Eigentlich wollte ich Rührei machen, aber du ziehst sicher arme Ritter vor. Oder hast du etwa schon gefrühstückt?«
»Nein, Mom, hab ich nicht. Doch jetzt erklär mir das Ganze bitte endlich.«
»Was verstehst du denn nicht, mein Sohn?«
»Ich versteh nichts, einfach gar nichts.«
»Also gut. Alle Menschen wünschen sich in der Regel die Nähe eines anderen. Natürlich sind Vertrauen und Respekt wichtig, aber Sex ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil dieser Nähe, und das bedeutet …«
»Mom.« Ihm wurde siedend heiß. »Lass uns diesen Teil bitte aussparen.«
»Gut. Nur so viel: Willy B. und ich mögen uns wirklich sehr, und manchmal haben wir eben auch Sex.«
»Bitte, bitte, sprich nicht von Willy und dir und Sex in einem Atemzug.«
»Das muss ich aber, wenn ich dir meine Sichtweise erklären soll«, sagte sie und schob ihm einen Teller mit Speck hin. »Jetzt beruhige dich erst mal und iss.«
»Aber …«
»Ich hab deinen Dad geliebt«, unterbrach sie ihn. »Mehr als jeden anderen. Ich war achtzehn, als ich ihm
Weitere Kostenlose Bücher