Lilientraeume
Ach ja, wegen Hope.
Er stieg aus seinem Pick-up, blieb kurz in der Kälte stehen und betrachtete die Balkone und Veranden mit den neuen, nach alten Vorlagen angefertigten Geländern, musste an den Schmutz und Schutt denken, den Müll und den Taubendreck und brachte die beiden Bilder kaum mehr in Einklang. Wer so etwas maßgeblich mitgestaltet hatte, dachte er voller Stolz, der sollte sich doch vor keiner Silvesterparty fürchten.
Er betrat das Foyer mit dem glänzend polierten Tisch unter dem funkelnden Kronleuchter und den strohfarben bezogenen Sesseln vor der unverputzten Backsteinwand. Sie hatten weiß Gott ein Schmuckstück aus dem Haus gemacht, dachte er, bevor er den Stimmen folgte und den Speisesaal betrat, wo seine Brüder gerade die riesige, reich verzierte Anrichte unter das Fenster schoben, während Hope und seine Mutter Tische und Stühle aufstellten. In einer Ecke wedelte D.B. erwartungsvoll mit dem Schwanz, als er ihn sah. Owen fragte sich nicht zum ersten Mal, ob er aus Sicht des Hundes vielleicht ganz einfach ein riesengroßer Donut war.
»Wo zum Teufel hast du so lange gesteckt?«, fragte Ryder ihn erbost.
»Ich musste ein paar Dinge erledigen. Sieht klasse aus.«
Strahlend rückte Justine einen Stuhl an einem Tisch zurecht. »Und da drüben hängen wir den großen Spiegel auf. Du weißt schon, den aus dem Antiquitätengeschäft. Außerdem brauchen wir noch einen Serviertisch, der unter dem Fenster stehen sollte. Ich werde bei Bast’s vorbeischauen, ob die was Passendes haben.«
»Was ist denn mit dem Tisch, den du in diesem schicken französischen Laden in Frederick gefunden hast?«, rief ihr Ryder in Erinnerung.
»Der ist schief.« Justines Miene wurde eisig. »Weil eins der Beine kürzer ist als die anderen.«
»Ich hab dir doch gesagt, dass ich die anderen ebenfalls etwas gekürzt habe. Und wenn du zudem genügend Zeug draufstellst, wird niemand sehen, dass er nicht ganz gerade ist.«
»Eigentlich hätten sie den Tisch zurücknehmen müssen«, sagte Hope. »Und ihre Weigerung, das zu tun, spricht nicht gerade für sie.«
»Jedenfalls ist er gerichtet und benutzbar. Also regt euch ab.«
»Wir haben den Tisch ursprünglich fürs Foyer gekauft, aber inzwischen einen anderen bestellt«, warf Hope ein.
»Jedenfalls sollten wir ihn aus dem Keller holen und schauen, ob er nicht doch irgendwo passt. Ist schließlich ein schönes Stück.«
Justine wirkte wenig überzeugt.
»Wenn er hier nicht passt, Mom, oder wenn er euch nicht gefällt, schleppen wir ihn wieder raus«, schaltete Owen sich ein.
»Er war kaputt und deshalb sein Geld nicht wert. Ich hab einfach nicht genau hingeschaut«, ärgerte sich Justine und kraulte D.B. sanft zwischen den Ohren. »Tja, wir werden sehen. Da kommt Carolee gerade«, fügte sie hinzu, als sie Schritte von der Haupttreppe vernahm. »Vielleicht könnt ihr zwei die Rechauds und die Kaffeespender holen, Hope. Damit wir sehen, wie das Zeug hier drinnen wirkt.«
Owen wollte schon seine Hilfe anbieten, doch ein Blick seiner Mutter gebot ihm zu schweigen. »Ich wollte kurz mit euch Jungs alleine sprechen.«
Als ihr Ältester den sorgsam reparierten Tisch mit Becketts Hilfe durch die Tür wuchtete, verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Ryder Thomas Montgomery.«
»Ma’am.«
»Ich hab dir bestimmt nicht beigebracht, unhöflich zu sein, Frauen abzukanzeln oder Angestellte rüde anzufahren. Ich erwarte, dass du Hope mit einem Mindestmaß an Höflichkeit begegnest, selbst wenn du vielleicht mal anderer Meinung bist als sie.«
Er stellte den Serviertisch ab. »In Ordnung. Aber …«
»Aber was?«, fragte Justine warnend.
Nicht weniger herausfordernd schob er die Hüfte vor und stellte übertrieben freundlich fest: »Nun, du hast gesagt, wir sollen sie behandeln, als gehöre sie zur Familie. Soll ich jetzt mit ihr reden wie mit euch oder ausgesucht höflich?«
Eine ganze Weile sagte seine Mutter nichts. Schließlich trat sie auf ihn zu und packte seine Ohren. »Du hältst dich wohl für ganz besonders clever, was?«
»Auf jeden Fall. Das hab ich von dir geerbt.«
Sie schüttelte lachend den Kopf. »Du kommst ganz nach deinem Dad.« Obwohl bereits wieder halbwegs versöhnt, stach sie ihren Zeigefinger in seinen Bauch. »Reiß dich trotzdem in Zukunft ein bisschen zusammen, ja?«
»Okay.«
Nickend trat sie einen Schritt zurück, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete den Tisch. »Die Platte ist eindeutig verzogen, Ry.«
»Ein bisschen, ja.
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