Lilientraeume
Tätowierung am Hintern keinen Sinn. Teenager tun so was aus Protest. Und ein bisschen was davon spielte auch bei mir mit.«
»Und das neue Tattoo wäre ein Ausdruck von Reife?«
»Eine reife Tätowierung. Ja, so was in der Art«, überlegte sie. »Darüber werde ich irgendwann mal in Ruhe nachdenken.« Sie rollte sich herum und richtete sich auf. »Deine Dusche allein ist schon toll. Aber mit dir drin – einfach konkurrenzlos.« Seufzend streckte sie die Hand nach ihrem blau karierten Morgenmantel aus. »Leider muss ich jetzt nach der Suppe sehen.«
»Bleib heute Nacht hier.«
Sie hielt beim Anziehen des Morgenmantels inne und blinzelte ihn an. »Heute Nacht? Wir müssen beide morgen wieder arbeiten.«
»Das müssen wir so oder so. Trotzdem wünsch ich mir, dass du nach der Schneeballschlacht, der Suppe und wahrscheinlich irgendeinem Riesenstreit mit meinen Brüdern über Football wieder mit hierherkommst und bis morgen bleibst.«
Sorgfältig band sie den Gürtel zu und blickte zu ihm auf. »Abgemacht. Aber jetzt schau ich endlich nach der Suppe und zieh mich anschließend an«, erklärte sie und verließ entschlossen das Schlafzimmer, um nur ja nicht wieder in Versuchung zu geraten.
Auf dem Weg nach unten spürte sie dem Flattern ihres Herzens nach. Sie kannte dieses Gefühl, hatte es schon einmal erlebt.
Damals, als sie fünf Jahre alt war.
Nach über zwanzig Jahren schien sie sich erneut in Owen Montgomery verliebt zu haben. Ihr untrügliches Gespür verriet es ihr deutlich. Doch was sagte ihr Herz dazu?
12
Einige Tage später begutachtete Avery mit einem dicken Ordner unter dem Arm abermals die Räumlichkeiten für ihr geplantes zweites Restaurant. Hope und Clare begleiteten sie.
»Da drüben kommt die Theke hin. Aus dunklem Holz, ganz edel, damit sie etwas darstellt. Vielleicht kann ich Owen ja mit ein paar netten Worten, Betteln oder Sex dazu bringen, dass er sie für mich baut.«
»Wie läuf t ’s denn überhaupt so mit dem Sex?«, erkundigte sich Clare.
»Wonach seh ich denn aus?« Avery deutete mit den Daumen auf ihr Gesicht.
Die Freundinnen lachten. »Nun ja, ich würde sagen, nach einer befriedigten, entspannten, glücklichen und vielleicht ein bisschen selbstzufriedenen Frau«, meinte Clare.
»So weit, so gut. Überall im Restaurant werden Lampen angebracht, die ein warmes, gedämpftes Licht geben. Nichts Helles, das den Augen wehtut. Und da drüben sollen ein Ledersofa – vielleicht dunkelbraun – und ein Couchtisch hin. Ein paar hohe Tische in die Fenster, ein paar Tische in normaler Höhe hier und da, und gleich daneben der Durchgang von der Bar ins Restaurant.«
»Es wird sicher großartig. Mich wundert nur, dass du dich bereits mehr mit Farben und Stoffmustern zu beschäftigen scheinst als mit deinem Liebesleben. Davon hast du uns bislang herzlich wenig mitgeteilt. Denk an dein Versprechen, mir alles haarklein zu berichten. Schließlich dürsten einsame Seelen wie ich nach pikanten Details«, erklärte Hope.
»Ich will einfach nichts beschreien, weil ich es selbst noch nicht glauben kann. Lass dir nur gesagt sein, dass du bestimmt noch trauriger würdest, wenn du wüsstest, wie phänomenal es war.«
»Also bitte.« Ihre Freundin machte eine wegwerfende Handbewegung und fügte hinzu: »Owen war vorhin kurz im Hotel. Er sah ebenfalls total happy aus. Viel relaxter als sonst. Triffst du ihn heute Abend noch?«
»Nein. Gleich fängt meine Schicht im Vesta an. Außerdem sind er und seine Brüder schwer beschäftigt mit den Vorbereitungen für die Eröffnungsparty, arbeiten mit Hochdruck an der Fertigstellung der Bäckerei und beginnen mit der Planung für meinen Umbau. Außerdem waren wir seit Silvester beinahe jede Nacht zusammen, und ich dachte …«
»Dass du mal eine Pause brauchst?«, sagten die beiden Freundinnen wie aus einem Mund.
»Irgendwas in der Richtung. Ihr kennt mich ja und wisst, wie ich reagieren kann. Am Anfang bilde ich mir immer ein, dass alles super läuft: zwanglos, amüsant und vollkommen natürlich, und dass die Chemie zwischen uns stimmt. Und dann frag ich mich irgendwann, ob vielleicht mehr dahintersteckt oder stecken sollte, und ob der Typ nicht tatsächlich meine große Liebe ist.«
»Liebst du Owen?«, fragte Clare.
»Ich spüre dieses Flattern …« Sie wedelte mit einer Hand in Höhe ihres Herzens.
Hope nickte verständnisvoll.
»Aber ich hab mich schon zu oft getäuscht. Mit Owen liegt die Sache zwar anders, weil mich mit ihm seit jeher eine
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