Lilientraeume
auch nicht?«, stimmte Hope ihr ohne einen Hauch von Bitterkeit zu. »Schließlich haben wir praktisch zusammengelebt. Er hat gesagt, dass er mich liebt und an eine Zukunft mit mir glaubt.«
»Tut mir leid, Hope. Schmerzt es noch?«
»Nein, nicht wirklich. Bloß die Erinnerungen an die Demütigungen, die er mir zumutete. Das hat meinen Stolz sehr verletzt. Ihn selbst möchte ich nicht mehr geschenkt haben«, sagte sie und nahm Tassen aus dem Schrank. »Er hat mich benutzt und systematisch belogen, und das ist etwas, was mich nach wie vor entsetzlich wütend macht. Am Ende kam ich mir wie eine Närrin vor. Und das tut weh.«
»Wie kann ein Mensch bloß so niederträchtig sein?«
»Der eine ist dazu fähig, der andere nicht. Dir mit deiner Gradlinigkeit muss solch ein Verhalten völlig fremd sein.«
Hoffentlich, dachte sie. Aber genau das war das Erbe ihrer Mutter. Was, wenn es doch verborgen in ihr steckte?
In der Pizzeria band Avery sich eine Schürze um und fing mit den Vorbereitungen für den Tag an. Sie schaltete die Öfen an, setzte Kaffee auf und überprüfte, ob in der Kasse genug Kleingeld war und ob das Wasser in der Eismaschine reichte. Dann notierte sie, was fehlte, schob den bereits fertigen Pizzateig ins Kühlregal, hievte die riesigen Soßentöpfe auf den Herd und nahm die großen Vorratsboxen mit den verschiedenen Belägen aus der Kühlung. Sie würde im Laufe des Vormittags noch neuen Teig und eine neue Marinara machen müssen.
Sie hatte den Topf mit der Soße bereits auf dem Herd, als es an der verschlossenen Vordertür klopfte. Owen. Und sofort war es wieder da, dieses verräterische, sehnsüchtige Herzflattern. Sie sah, dass er fragend einen Schlüssel hochhielt. Als sie nickte, sperrte er die Tür auf – schließlich besaß er als Hausbesitzer sämtliche Schlüssel zu dem Gebäude.
»Du siehst schwer beschäftigt aus.«
»Normal, eigentlich wie jeden Tag.«
»Kann ich eine Weile bei dir am Tresen arbeiten? Im Hotel lärmen heute die Journalisten herum, um sich alles anzusehen. Da findet man keine ruhige Ecke.«
»Ja sicher. Willst du einen Kaffee?«
»Den hol ich mir selbst.« Er stellte seinen Aktenkoffer ab, schälte sich aus seiner Jacke, zog die Mütze vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Dann kam er zu ihr, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie zärtlich auf den Mund. »Hallo.«
»Hallo.«
»Riecht gut.«
»Ist schließlich die beste Marinara weit und breit.«
»Ich meinte dich und nicht die Soße. Obwohl die natürlich ebenfalls verlockend duftet. Magst du auch einen Kaffee?«
»Erst wenn ich hier fertig bin. Solltest du nicht anwesend sein, wenn die Journalisten das Hotel besichtigen und Interviews machen?«
»Oh, das muss nicht sein.« Er schenkte sich einen Becher Kaffee ein und musste fast schreien, weil sie gerade eine Riesendose geschälte Tomaten unter den elektrischen Öffner hielt. »Hope hat die Sache perfekt im Griff, denn es wurde ja alles von ihr angeleiert. Dass so viele Presseleute selbst von außerhalb gekommen sind, liegt nur an ihren guten Beziehungen in D.C. und Philadelphia. Echt super.«
»Ziemlich aufregend das Ganze. Vermutlich lassen es sich Justine und Carolee nicht nehmen, die Meute herumzuführen, oder?«
Owen nickte. »Ja, so läuft es. Wir anderen bilden nur die Reserve.« Er deutete auf den Soßentopf. »Du schüttest die ganzen Zutaten da rein, ohne abzuwiegen?«
»Alles reine Erfahrung. Und außerdem, mein Lieber, verfüge ich über zahlreiche Talente, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest.« Sie bedachte ihn mit einem, wie Hope sagen würde, etwas zu selbstzufriedenen Blick.
»Brauchst du denn wenigstens in deinem neuen Restaurant einen Vorkoster, der freiwillig alles probiert? Ich meine, das sind ja auch für dich neue Gerichte.«
Sie sah ihn fragend an. »Und für diesen Job willst du dich melden, nehm ich an.«
»Das ist jawohl das Mindeste, was ich zum Erfolg beitragen kann.«
»Du bist einfach die Großmut in Person.« Allerdings war die Idee gar nicht mal so schlecht, erkannte sie. Sie musste auf jeden Fall die diversen Rezepte vorher ausprobieren, und da wäre ein Testesser höchst willkommen. »Ich hab Montagabend frei.«
»Ist für mich okay.«
»Dann such dir was von meinem Speisekartenentwurf aus und gib deine Bestellung auf.«
»Koch einfach, was du willst.«
»Nein. Sieh dir die Karte an und stell dir ein Menü zusammen. Salat, Vorspeise, Hauptgericht, Dessert, das ganze Programm.
Weitere Kostenlose Bücher