Lilientraeume
Leben. Ich will dich nie wiedersehen.«
»Du weißt nicht, wie es ist, alleine dazustehen und niemanden zu haben.«
»Stimmt. Dafür hat mein Dad gesorgt.« Mit diesen Worten trat sie zur Wohnungstür und öffnete sie. »Ich möchte, dass du endlich gehst.«
Traci ging an ihr vorbei, blieb noch einmal stehen und sah sie an. »Es tut mir leid.«
Avery drückte die Tür ins Schloss, drehte den Schlüssel um, lehnte sich zitternd an das Holz und glitt daran herab zu Boden. Als sie sicher war, dass ihre Mutter nicht zurückkommen würde, brach sie in lautes Schluchzen aus.
Ein ums andere Mal verschob sie ihr Date mit Owen. Wechselweise wegen einer angeblichen Änderung des Schichtplans oder wegen zu viel Arbeit. So schrieb sie ihm jedenfalls in ihren SMS . Die Wahrheit war, dass sie es nicht fertigbrachte, mit ihm zu sprechen. Obwohl sie wusste, dass es dumm war. Owen hätte sie verstanden. Wenn nicht er, wer dann? Trotzdem wollte sie ihm nicht von der Begegnung mit ihrer Mutter, von ihrem Unglück, ihren Zweifeln und ihrem Zorn erzählen. Aber es einfach mit einem fröhlichen Gesicht zu überspielen und gar nichts zu sagen, das schaffte sie erst recht nicht.
Sie schaute von dem Gyros auf, das sie gerade zubereitete, als Owen hereinkam. Sie nickte ihm kurz zu und setzte ein gequältes Lächeln auf, während er sich auf einen Hocker an der Theke schob.
»Na, wie geht’s?«
»Wir haben in den letzten Tagen derart viel zu tun, dass ich kaum noch Luft bekomme.«
»Das hast du mir gesimst. Vielleicht könntest du trotzdem mal eine kurze Pause machen und ein bisschen verschnaufen«, schlug er vor.
»Ich weiß vor lauter Arbeit nicht, wo mir der Kopf steht.«
»Ach.« Er drehte sich auf dem Hocker um und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, in dem um diese Zeit kaum jemand saß.
»Ich muss Inventur machen.« Etwas Besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. »Mir ist so viel kaputtgegangen, dass es höchste Zeit wird für eine Bestandsaufnahme.« Sie wusste, wie albern das klang, und beschloss, das Thema zu wechseln. »Und wie läuft es gegenüber?«
»Gut. Ich dachte, du würdest mal rüberkommen, um dir selbst ein Bild zu machen.«
»Das werde ich bestimmt noch, versprochen.« Sie schob das Gyros in den Ofen. »Möchtest du was essen?«, fragte sie, während sie eine Pizza, die soeben fertig geworden war, in acht Teile schnitt.
»Das Gyros sah lecker aus.«
»Ist es auch.«
Er stand auf, holte sich eine Cola und setzte sich wieder. »Ist bei dir wirklich alles okay?«
»Nun, das Wetter könnte langsam besser werden, und vor allem wäre es nicht schlecht, wenn mein Tag achtundvierzig Stunden hätte. Aber davon abgesehen ist alles klar.«
»Avery.«
Sein Ton zwang sie, ihm ins Gesicht zu sehen. »Was ist? Mittags bin ich immer sehr beschäftigt, Owen. Das weißt du doch.«
»Ja, weiß ich. Nur was ist jetzt anders als sonst?«
Sie seufzte. »Mein Fahrer ist weg, weil ich ihn mit einem Joint im Keller erwischt habe, und deshalb muss ich teilweise selbst ausliefern. Dann brüte ich über meinem Geschäftsplan für das neue Restaurant, muss Lampen und Möbel aussuchen, an der Speisekarte feilen und Hope bei den Vorbereitungen für Clares Hochzeit und den Junggesellinnenabschied behilflich sein. Außerdem brauch ich neue Reifen für mein Auto, und dann hat mein Großmarkthändler teilweise die Preise erhöht ….«
Wenn sie sich so reden hörte, hatte sie tatsächlich allen Grund der Welt, gestresst zu sein. »Verstehst du jetzt, warum ich keine Zeit hab, für dich zu kochen und mit dir zu spielen?«, fügte sie gereizt hinzu.
»Darum geht es nicht, Avery.«
»Doch, genau darum geht’s. Um sonst nichts.«
Als sie mit fahrigen Bewegungen den Ofen öffnete, um nach dem Gyros zu sehen, verbrannte sie sich die Innenseite ihres Unterarms. »Verdammt.«
Verärgert drehte sie sich um und sah Owen direkt neben sich stehen. Er packte ihr Handgelenk und hielt es fest. »Lass mich schauen.«
»Es ist nichts. So was passiert mir ständig.«
»Wo ist dein Verbandskasten?«
»Ich brauch nur etwas Aloe Vera. In der Küche hab ich für solche Fälle extra eine Pflanze stehen. Ich …«
Er zog sie wortlos in die Küche und bedeutete Franny mit einem Nicken Richtung Tür, sie alleine zu lassen.
»Lass mich endlich los«, verlangte sie. »Ich weiß selbst am besten, was man mit einer blöden Verbrennung macht. Außerdem warten Gäste.«
»Halt endlich den Mund.«
Sie hatte Owen kaum jemals derart barsch
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