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Lilith Parker: Insel Der Schatten

Lilith Parker: Insel Der Schatten

Titel: Lilith Parker: Insel Der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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verließen.
    Liliths Zähne klapperten und ihr Gesicht war vom Fahrtwind taub geworden. Hastig öffnete sie die Gartentür und lehnte das Fahrrad an die Hauswand. Sie konnte es kaum erwarten, sich am Kaminfeuer aufzuwärmen und einen heißen Tee zu trinken. Gerade als sie die Tür zur Küche öffnen wollte, hörte sie ein leises, flehendes Fiepen. Sie wandte sich stirnrunzelnd um.
    »Hannibal? Bist du das?«

    Ein lang gezogenes Winseln war die Antwort. Besorgt folgte Lilith dem Geräusch. Es kam aus dem Teil des Gartens, in dem das Gebüsch besonders dicht und undurchdringlich wucherte. Sie hätte nicht vermutet, dass es möglich war, sich in dieses dichte Gestrüpp hineinzuquetschen, wenn nicht eine große schwarze Pfote darunter hervorgelugt hätte.
    »Hannibal?«
    Lilith ging in die Knie und schob einige Äste zur Seite, ohne darauf zu achten, dass sich die Dornen in ihre Haut bohrten. Mit eingezogenen Schultern kauerte sich Hannibal inmitten des Gebüsches zusammen, einige der Dornen hatten blutige Striemen in seinem Gesicht hinterlassen. Er zitterte vor Kälte.
    »Du Armer, hast du wieder Magenschmerzen?«
    Lilith versuchte, zu ihm zu gelangen, blieb jedoch schon nach wenigen Zentimetern stecken. Hannibal hatte die Ohren angelegt und sah sie mit aufgerissenen Augen ängstlich an. Was hatte ihn nur derart erschreckt?
    »Komm her, mein Großer«, lockte ihn Lilith in vertrauensvollem Ton. »Ich kann dir doch helfen. Komm da raus!«
    Sie streckte die Hand nach ihm aus und lächelte ihm aufmunternd zu. Zögernd, Schritt für Schritt, kam Hannibal näher. Als er direkt vor ihr stand, legte er seinen Kopf in Liliths Hand und leckte ihr den Arm ab. Er schien erleichtert über ihre Anwesenheit zu sein.
    »Ist ja gut, Hannibal!« Lilith streichelte ihm über das Fell. »Komm mit, ja?«
    Tatsächlich folgte er ihr. Doch je näher sie dem Haus kamen, desto zaghafter wurden seine Schritte. Als ob Lilith ihn nicht in sein Zuhause, sondern an den Rand eines tiefen Abgrunds führen wollte.
    Überrascht blieb Lilith stehen.
    »Was ist nur los mit dir?«

    Wieder begann Hannibal zu winseln. Seine dunklen Augen huschten ängstlich umher.
    »Am besten, ich hole dein Frauchen nach draußen!« Lilith streichelte ihm über den Kopf, doch der Hund schien sie kaum mehr wahrzunehmen. Sein Blick war starr auf die Küchentür gerichtet.
    »Bleib schön sitzen, Hannibal!«, ermahnte sie ihn, als sie zum Haus ging.
    Doch in dem Moment, als Lilith die Tür öffnete, stieß der Hund ein lautes Jaulen aus und sauste quer durch den Garten davon. Geschockt sah Lilith ihm hinterher. Was war nur mit Hannibal geschehen? Einen Moment lang überlegte sie, ob sie ihm folgen sollte, doch dann beschloss sie, zuerst mit Mildred zu sprechen. Vielleicht wusste sie, was Hannibal so in Panik versetzt hatte und wie man ihm helfen konnte.
    Lilith trat in die Küche.
    Wildes Stimmengewirr schlug ihr entgegen, darunter Mildreds Lachen, das eigenartig laut und schrill wirkte. Arthur eilte gerade mit einem Stück Kuchen an Lilith vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen, und Regius folgte ihm mit einer Kanne frisch aufgebrühtem Tee. In seinem ansonsten so missmutigen Gesicht lag nunmehr ein Ausdruck höchster Verzückung. Lilith schaute irritiert in die Runde. Was ging hier nur vor sich?

    Isadora und Melinda scharten sich mit strahlenden Gesichtern neben Mildred um den Tisch, den Ort, der das Zentrum dieses ganzen Wirbels zu sein schien. Nun vernahm Lilith aus deren Mitte eine fremde männliche Stimme. Zwar konnte Lilith nur Wortfetzen vernehmen, doch ihr fiel auf, dass der Mann eine gleichbleibend tiefe, außergewöhnlich monotone Sprechweise hatte, wie jemand, der sich nicht in seiner Muttersprache unterhielt und die Worte falsch betonte. Sie fragte sich, wer dieser Besucher sein mochte. Bei der Begeisterung, die er hervorrief, musste er ein besonders guter Freund ihrer Tante und der anderen sein.
    Wie auf einen lautlosen Befehl hin traten die drei Frauen zur Seite und gaben für Lilith den Blick frei auf einen Mann in einem schwarzen Anzug, der mit dem Rücken zu ihr saß. Das Haar, das so majestätisch glänzte wie das Gefieder eines Vogels, war zu einer perfekten Frisur gekämmt und reichte bis zu einem kräftigen, sehnigen Nacken.
    Der Mann drehte sich langsam zu ihr um.
    Auf seinen dünnen Lippen breitete sich ein Lächeln aus. Die Oberlippe bewegte sich dabei kaum, da sich die Narbe einer Lippenspalte senkrecht bis zur Nase zog.
    »Guten

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