Lilith Parker: Insel Der Schatten
Lilith hoffnungsvoll.
»Soviel ich weiß, schützt es allein den Träger vor dem Dämon. Was, wenn du mich fragst, schon mehr als genug ist.«
Enttäuscht ließ Lilith die Schultern sinken. Natürlich war sie dankbar dafür, dass Nekrobas keine Macht über sie hatte, solange sie das Amulett trug. Insgeheim hatte sie jedoch gehofft, dass es noch zu mehr imstande gewesen sei. Somit hatte sie nicht die geringste Chance, Nekrobas zu besiegen …
Eine letzte Frage brannte ihr auf der Seele: »Kannst du mir sagen, warum Nekrobas so versessen auf das Amulett ist?«
»Dazu muss ich dir erst etwas von unserer Geschichte erzählen«, warnte Emma sie vor. »Vor einigen Jahrhunderten, in einem dunklen Zeitalter, haben die Menschen begonnen, Jagd auf uns zu machen. Bis dahin lebten wir mit ihnen zusammen in Frieden, doch mit der Zeit erfuhren sie immer mehr über unsere außergewöhnlichen Kräfte und sie fühlten sich uns unterlegen. Die Menschen meinten, wir seien unnatürliche Kreaturen, ein Fehler der Natur – schon damals sahen sie sich als alleinige Herrscher der Welt, die sie mit niemandem teilen mussten, wenn sie es nicht wollten. Unerbittlich verfolgten und töteten sie uns.«
»Aber konntet ihr euch denn nicht gegen sie wehren?«, unterbrach Lilith sie aufgeregt.
Emma schüttelte traurig den Kopf. »Die Menschen waren in der Überzahl, wir hatten keine Chance. Dadurch, dass in unserer Welt nur so wenige die Kräfte ihrer Eltern erben, gibt es weit weniger von uns, als du vielleicht denkst.«
Lilith schwieg betroffen. Plötzlich schämte sie sich. Auch wenn Mildred zu ihr gesagt hatte, dass sie nun in Bonesdale eine neue Heimat gefunden hätte und hierher gehörte, so hatte Lilith doch dreizehn Jahre lang in der Menschenwelt gelebt. Dort lagen ihre Wurzeln. Bei den Menschen, die den Nocturi und den anderen so viel Leid und Schmerz zugefügt hatten.
»So hat Baron Nephelius die Führer der anderen Stämme zu sich gerufen«, fuhr Emma fort. »Sie beschlossen, sich den Menschen nicht mehr zu offenbaren und fortan im Untergrund zu leben. Sie setzten gemeinsam ihre Kräfte dazu ein, die Erinnerung an uns bei den Menschen auszulöschen.« Emma machte eine kurze Pause und starrte nachdenklich auf ihre Hände. »Die Dämonen hat dieser Beschluss am härtesten getroffen. Sie konnten nur noch unter erschwerten Bedingungen in unsere Welt wechseln und durch den Eid, den der Erzdämon Zebul im Namen aller Dämonen aus dem Schattenreich abgelegt hatte, wurden ihre Kräfte bei den Menschen wirkungslos.«
Nun wurde Lilith auch klar, warum Nekrobas Matt nicht seinem Willen hatte unterwerfen können. Der Eid der Dämonen hatte ihn gegenüber Menschen machtlos gemacht.
»Die Dämonen waren nie sehr glücklich über die große Übereinkunft und Zebul hat schon bald danach gefordert, von seinem Eid entbunden zu werden. Die anderen Führer verweigerten ihm jedoch seinen Wunsch und die Dämonen konnten nichts dagegen unternehmen. Erst wenn die vier Amulette wieder zusammengelegt werden, wird der Schwur aufgehoben.« Sie stand auf, holte Liliths Schuljacke von der Garderobe und zeigte auf das Wappen der St.-Nephelius-Schule. »Das goldene X vor dem Umriss von Nightfallcastle stellt die vier zusammengesteckten Amulette dar. Für die meisten von uns ist es das Zeichen für gemeinschaftlichen Frieden, für andere jedoch für grenzenlose Macht.«
Deswegen wollte Nekrobas das Amulett unbedingt haben! Er hatte vor, die Dämonen zu befreien und ihre alten Kräfte zurückzugewinnen. Doch dazu musste er zuerst alle vier Amulette zusammentragen. Lilith schluckte schwer. Noch vor wenigen Tagen hätte sie niemals für möglich gehalten, wie wichtig dieses Amulett war. Nun musste sie erkennen, dass es die ganze Welt verändern konnte, wenn sie es heute Nacht Nekrobas übergab.
Emma hatte mittlerweile einen nachdenklichen Gesichtsausdruck aufgelegt. »Hat dieser Elia Nekrobas dir eigentlich gesagt, dass er ein Dämon ist?«
»Ich glaube nicht«, musste sie zugeben.
»Das ist sehr wichtig, Lilith. Denk nach! Vielleicht ist er ja ein Körperwandler, der sowohl Krähe als auch Mensch sein kann. So ein Gegner wäre viel einfacher zu bekämpfen.«
Lilith rief sich noch einmal das Gespräch in Erinnerung, das sie am Tag zuvor mit Nekrobas geführt hatte. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein, er hat nur zugegeben, dass er die Malecorax war, die uns angegriffen hat. Daraus habe ich den Schluss gezogen, dass er ein Dämon sein
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