Lilith Parker: Insel Der Schatten
wollten zusammen diesem Geheimnis auf die Spur kommen, du hast mir alles anvertraut, was dir hier in diesem Haus widerfahren ist und wie sehr es dich verletzt hat, dass dein Vater dich hintergangen hat. Und jetzt?«
Liliths Finger klammerten sich an dem Wasserglas fest, als wäre es ein Rettungsanker. Sie hatte schon zu viel gesagt.
»Bitte versteh doch, ich kann …«
»Nein, ich verstehe nicht«, fiel ihr Matt ins Wort.
Er trat näher an sie heran. »Du hast es herausgefunden, nicht wahr? Du weißt, was für seltsame Dinge hier in Bonesdale vorgehen, und nun hast du richtig schlimme Probleme bekommen!«
Lilith schluckte und wich seinem Blick aus. »Nein. Du irrst dich.« Selbst in ihren Ohren klang ihre Antwort wenig überzeugend. »Ich habe gar nichts herausgefunden. Es ist alles in Ordnung.«
Matt musterte sie einen Moment lang wortlos.
»Weißt du, ich war richtig dumm«, presste er schließlich hervor. »Ich bin noch einmal hergekommen, weil ich mich bei dir entschuldigen wollte. Dafür, dass ich dir vorhin unterstellt habe – du weißt schon. Ich hatte gehofft, dass wieder alles wird wie vorher, wenn wir dieses Missverständnis geklärt hätten.« Er schüttelte enttäuscht den Kopf. »Aber das kann es wohl nie mehr werden, oder?«
»Nein«, brachte Lilith mühsam hervor.
»Wenn das so ist, dann weiß ich ja, was ich von dir zu halten habe.«
Er funkelte sie wütend an. »Ich dachte, du wärst einer dieser wenigen Menschen, die immer die Wahrheit sagen und auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Jemand, den man gern zum Freund hat. Aber da habe ich mich anscheinend getäuscht.«
Die letzten Worte hatte er mit solcher Kälte ausgestoßen, dass Lilith zusammenzuckte. Als sie wieder aufsah, war Matt bereits zur Tür hinausgegangen.
Nervös sah Lilith auf die Uhr. Noch fünf Stunden bis Mitternacht! Eigentlich hätte sie vor einer halben Stunde in der Schule sein müssen, um alles für die Halloweenaufführung ihrer Klasse vorzubereiten. Aber Lilith hatte nicht vor, auf das Fest zu gehen, auch auf die Gefahr hin, Ärger mit Miss Tinkelton zu bekommen. Sie war einfach nicht in der Lage, als Bühnenassistentin zu arbeiten, während sie permanent daran denken musste, dass sie in wenigen Stunden Nekrobas gegenübertreten würde. Obwohl sie zugeben musste, dass ihr etwas Ablenkung wahrscheinlich gutgetan hätte. Mildred und die anderen waren gleich nach dem Mittagessen fröhlich gestimmt zur Devilstreet aufgebrochen, seither lag das Haus völlig still und verlassen da.
Lilith sprang in die Höhe und begann, in ihrem Zimmer auf und ab zu tigern. Jede Faser ihres Körpers war angespannt und sie fühlte sich, als ob jeden Moment etwas in ihrem Inneren zu zerreißen drohte. Noch nie in ihrem Leben war ihr ein einziger Tag so lange vorgekommen. Schon in der Nacht zuvor hatte sie kein Auge zugetan und das Amulett wie einen Schatz an ihr Herz gepresst. Wenn es nur einen Weg gegeben hätte, mehr darüber herauszufinden! Vielleicht war das Amulett so mächtig, dass sie damit ihren Vater befreien konnte, ohne es Nekrobas aushändigen zu müssen?
Jedes Mal wenn Lilith an ihren Vater dachte, krampfte sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. Wie es ihm wohl bei Nekrobas erging? Ob er überhaupt noch am Leben war? Sofort verscheuchte sie den Gedanken wieder. Es wäre ganz alleine ihre Schuld, wenn ihrem Vater etwas zustieße! Hätte sie das Amulett nicht aus seinem Tresor genommen, wäre ihr Vater wahrscheinlich wie geplant in Burma angekommen. Stattdessen war er nun in der Gewalt eines Dämons.
Denn leider hatte Nekrobas tatsächlich nicht geblufft. Nachdem Matt gegangen war, hatte Lilith wieder einmal die Nummer des Hotels angerufen, in dem ihr Vater so lange hatte unterkommen wollen, bis er in der Nähe der Tempelanlage eine feste Bleibe gefunden hätte. Dieses Mal hatte Lilith endlich Glück und schon beim zweiten Versuch kam eine Verbindung zustande. Über die knisternde Leitung hinweg erzählte ihr ein Mann in gebrochenem Englisch, dass ein Mister Parker zwar reserviert, aber nie bei ihnen eingecheckt habe. Wie betäubt hatte Lilith sich bedankt und den Hörer aufgelegt. Mit dieser Auskunft hatte sich ihre letzte Hoffnung in Luft aufgelöst.
Sterne begannen vor Liliths Augen zu tanzen, benommen blieb sie stehen. Es war nicht das erste Mal an diesem Tag, dass ihr schwindelig wurde. Allerdings hatte sie auch so gut wie nichts gegessen. Vielleicht wäre es besser, wenn sie versuchte, etwas zu sich zu
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