Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
Stellvertreter fungieren, denn das Amulett erkennt dasselbe Blut. Deswegen ist zum Beispiel Rebekka in Chavaleen die Einzige, die den Verschluss deines Amulettes öffnen könnte, weil sie deine Verwandte ist.«
»Ja, leider«, murmelte Lilith kaum hörbar.
Sie trat an das halb geöffnete Eingangsportal und warf einen Blick nach draußen. Auf den Straßen Chavaleens herrschte mehr Trubel und Tumult als gewöhnlich und auf dem Vorplatz des Palastes sammelten sich schon die ersten Zuschauer, denen die Anspannung deutlich anzusehen war. Auch Lilith hätte die Zeremonie am liebsten so schnell wie möglich hinter sich gebracht, am besten gleich hier in der Eingangshalle, aber André und Nikolai waren der Meinung, dass sich eine offizielle Zeremonie beruhigend auf die Stimmung des Volkes auswirken konnte. Natürlich nur, wenn Nikolai recht behielt und alles wie geplant funktionierte.
»Ich muss Vater und André das Amulett zurückbringen«, riss er sie aus ihren Gedanken. »Ach, fast hätte ich es vergessen: Rebekka hat nach dir gefragt. Begleite mich doch nach oben, sie ist auch bei Vadim.«
Rebekka wollte sie sehen? Neugierig folgte sie Nikolai die Stufen hinauf in das Zimmer seines Vaters, in dem sich seit ihrem letzten Besuch kaum etwas verändert hatte. Ganz im Gegensatz zu André; die Sorgen und Anstrengungen der letzten Tage standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben und dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Bei Rebekka war die Veränderung jedoch so gravierend, dass Lilith sie im ersten Moment fast nicht erkannte. Ihr Haar war zu einem nachlässigen Pferdeschwanz zusammengebunden und die gräuliche Blässe, die auf ihrem ungeschminkten Gesicht lag, gab ihr ein kränkliches Aussehen. Als Lilith eingetreten war, hatte Rebekka sich gerade über Vadim gebeugt, doch nun richtete sie sich wieder auf und gab die Sicht frei auf den Führer der Vampire. Lilith schlug die Hand vor den Mund, doch der Schreckenslaut, der ihr entfuhr, war trotzdem zu hören. Nun hatte sich das Todesmal tatsächlich gebildet und der schwarze Nebel hüllte Vadims Kopf schon vollständig ein. Der Anblick traf sie völlig unvorbereitet, da Nikolai ihr gegenüber nichts davon erwähnt hatte. Lilith sah fragend zu Rebekka, die ihr mit einer knappen Geste bedeutete, sie vor die Tür zu begleiten. Als sie alleine im Salon standen, sagte Lilith offen: »Du siehst schrecklich aus.«
»Ich weiß!« Rebekka fuhr sich mit zittrigen Fingern über das Gesicht. So erschöpft und hager, wie sie aussah, vermutete Lilith, dass sie die letzten zwei Tage kaum etwas gegessen hatte.
»Du hast ihnen nicht gesagt, dass es jeden Moment so weit ist?«
Rebekka schüttelte den Kopf. »Die Anspannung in diesem Zimmer ist sowieso schon so groß, insbesondere bei Vadim. Durch die Halluzinationen hat er eine panische Angst vor dem Tod entwickelt und es hat all meine Bansheekräfte erfordert, sie ihm zu nehmen. Ich möchte, dass er in Ruhe und Frieden stirbt, und es würde ihm nicht guttun, wenn jetzt alle neben dem Bett stehen und darauf warten, dass er seinen letzten Atemzug macht. Seine Söhne haben sich bereits ausgiebig von ihm verabschiedet, deswegen reicht es, wenn wir es wissen.«
Rebekka schien ihre Worte tatsächlich ehrlich zu meinen, denn sosehr sich Lilith auch anstrengte, konnte sie keinen berechnenden Unterton heraushören. Hatte Rebekka tatsächlich ihr Herz entdeckt? Nein, Lilith hielt eine andere Erklärung für viel wahrscheinlicher: Rebekka war von den Vanator entführt und durch einen lebensechten Klon ersetzt worden, der Rebekkas Rolle allerdings enttäuschend schlecht spielte.
»Du bist kaum wiederzuerkennen«, meinte sie skeptisch. »Du setzt dich freiwillig und anscheinend völlig selbstlos für das Wohl eines alten Mannes ein, den du vor einer Woche nicht einmal gekannt hast. Das hätte ich nicht von dir erwartet.«
»Ich offen gestanden auch nicht. Aber ich möchte Vadim helfen, und André ist mir so dankbar für das, was ich tue. Das … das ist ein schönes Gefühl.« In ihre von dunklen Schatten umrandeten Augen stahl sich ein glückliches Funkeln. »Es ist fast so, als ob ich hier jemand ganz anderes sein könnte, in Bonesdale dagegen …« Sie stockte.
»… halten dich alle für eine egoistische, selbstverliebte Zicke«, beendete Lilith hilfsbereit ihren Satz.
»Danke, als ob ich das nicht selbst wüsste«, gab Rebekka mit messerscharfer Stimme zurück, was Lilith fast schon beruhigend fand. Irgendwo da drin steckte
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