Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
bei einem Albtraum fest zusammengepresst, während die Pupillen unter den Lidern unruhig hin- und herhuschten und der Schweiß auf seiner Stirn fühlte sich ungesund kalt an. »Da ich auf ihn eingestimmt bin, werde ich dir helfen, den Kontakt herzustellen, den Rest musst du allein erledigen«, raunte Rebekka ihr zu, und so nahmen sie wieder die gleiche Position zu beiden Seiten des Bettes ein wie bei ihrem ersten Besuch in diesem Zimmer.
Lilith versuchte, sich auf ihre Bansheekräfte zu konzentrieren und zur Ruhe zu kommen. Doch die Symphorien aufzurufen kostete sie weitaus mehr Zeit und Mühe als beim letzten Mal – auch ihre Kräfte schienen unter dem Aufenthalt in Chavaleen zu leiden. Endlich fand sie mit Rebekkas Hilfe einen Zugang zu Vadims Bewusstsein, und wie Rebekka angekündigt hatte, ließ sie Lilith von nun an alleine weiter vordringen.
Neugierig hielt Lilith Ausschau nach der merkwürdigen Präsenz, die sie bei ihrem ersten Besuch gespürt hatte, allerdings merkte sie schnell, dass Vadims Todeskampf und sein Schmerz überwältigend waren und diese sein ganzes Bewusstsein wie ein gewaltiger, alles verschlingender Tornado ausfüllten – es war unmöglich, in diesem geballten Sturm an negativen Emotionen etwas anderes wahrzunehmen. Lilith rief sich in Erinnerung, was sie von Imogen gelernt hatte, und mithilfe der letzten Symphorie »Stirb« stürzte sie sich in den schwarzen Strudel. Für einen quälend langen Augenblick spürte sie Vadims Angst und seinen Schmerz, als wären es ihre eigenen Empfindungen. Unter der Last seiner Todesqualen zog sich Liliths Herz krampfhaft zusammen, heiße Tränen liefen über ihre Wangen und wie aus weiter Ferne hörte sie ihr eigenes Schluchzen. Doch gleichzeitig beruhigte sich unter ihrer Hand Vadims Herzschlag, sein Körper entspannte sich und sein Atem wurde regelmäßiger. Nun kam der nächste Schritt: Sie musste Vadims Verbindung zu André suchen, um seinem Sohn helfen zu können.
»Nein!«, hielt Rebekkas Stimme sie von Weitem zurück. »Er will nicht, dass wir ihm die Trauer um seinen Vater nehmen.«
Das überraschte Lilith nicht, es passte zu André, dass er sich der Trauer stellen wollte, und wahrscheinlich hätte sie an seiner Stelle ebenso gehandelt. Sie zog sich aus Vadims Bewusstsein zurück, kappte die Verbindung und öffnete die Augen.
Sie sah zu Rebekka. »Ich habe getan, was ich konnte – ich hoffe, es hat geholfen!«
»Hallo, Lilian!« Vadim lächelte müde in ihre Richtung. »Hast du geweint?«
»Ja, aber nur ganz kurz.« Lilith wischte sich über ihre feuchten Wangen und sank erschöpft neben ihm auf die Bettkante. Sie fragte sich mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung, wie Rebekka die Kraft gefunden hatte, dies so lange durchzustehen. »Wie geht es Ihnen?«
»Wie soll es einem alten Mann wie mir schon gehen?« Er lachte heiser, was in einen ungesunden Husten überging. »Ich sehe nichts mehr, außer diesem scheußlichen Todesmal und den Augen des Sensenmannes, der schon direkt neben mir steht. Aber es macht mir keine Angst mehr, das liegt an euch Banshees, oder?«
»Wir versuchen nur, es Ihnen ein wenig leichter zu machen. Das ging leider erst ab dem Moment, in dem auch uns das Todesmal erschienen ist.«
Vadim tastete nach ihrem Arm, und die Kälte, die von seinen Fingern ausging, jagte Lilith eine Gänsehaut über den Rücken. »Nikolai hat mir erzählt, dass du uns helfen willst, den Schutzschild zu verstärken. Du bist ein gutes Mädchen, das wusste ich schon von dem Augenblick, als ich dich bei Fayola gesehen habe.«
»Ich muss Lilith zur Zeremonie begleiten«, sagte André mit bewegter Stimme. Es war ihm anzusehen, wie schwer es ihm fiel, seinen Vater gerade jetzt verlassen zu müssen. »Aber Rebekka wird so lange bei dir bleiben. Ich versuche, so schnell wie möglich zu dir zurückzukommen.«
»Ist in Ordnung, mein Junge! Du sitzt doch schon seit einer halben Ewigkeit hier herum.« Ein verschmitztes Lächeln zuckte um Vadims Mundwinkel. »Wenn du weg bist, habe ich wenigstens etwas Ruhe vor deinem rührseligen Geschwätz und kann mich mit der bezaubernden Rebekka unterhalten. Vielleicht schaffe ich es sogar, ihr Herz zu gewinnen?«
»Wenn das so ist, sollte ich mich noch mehr beeilen«, gab André schmunzelnd zurück und warf Rebekka, deren Wangen von einer zarten Röte überzogen waren, einen vielsagenden Blick zu.
Mit einem Mal ertönte ein lauter Gong, der ganz Chavaleen zu durchdringen schien und André leise vor
Weitere Kostenlose Bücher