Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
also doch noch die alte Rebekka!
»Du musst mir helfen!«, kam Rebekka auf ihr Anliegen zu sprechen. »Normalerweise halten wir Banshees zu den Sterbenden eine permanente Verbindung aufrecht, doch das war mir über diesen Zeitraum nicht möglich. Wir sind schon zu lange unter der Erde und ich habe meine Kräfte in den vergangenen Tagen nahezu aufgebraucht. Vadims Angst und seine Schmerzen werden jeden Moment zurückkehren und es wäre mir eine große Hilfe, wenn du sie ihm dieses eine Mal nehmen könntest. Ich muss meine Kräfte sammeln, ehe es richtig ernst wird.«
Bevor Lilith ihr antworten konnte, öffnete sich die Tür und André streckte den Kopf heraus. »Rebekka?« Als er sie entdeckte, huschte ein zärtliches Lächeln über sein müdes Gesicht. »Kannst du bitte wieder reinkommen? Vater scheint es schlechter zu gehen.«
Lilith fiel auf, dass in seinem Blick nicht nur Dankbarkeit lag, da war viel mehr. Die harten Stunden, die sie Seite an Seite gemeinsam verbracht hatten, schienen ihre Gefühle füreinander verstärkt zu haben, denn auch in Rebekkas Augen kehrte bei seinem Erscheinen sofort wieder das glückliche Funkeln zurück.
»Natürlich, wir kommen sofort.«
Rebekka warf ihr einen fragenden Blick zu und Lilith bejahte mit einem stummen Kopfnicken.
Als sie ins Zimmer traten, stellte sich Lilith jedoch sofort Nikolai in den Weg. »Kommst du mit in die Eingangshalle?«, bat er sie mit gedämpfter Stimme. »Es wird höchste Zeit, die Runen auf das Bernstein-Amulett einzustellen.«
»Tut mir leid, ich kann jetzt nicht.« Sie deutete mit vielsagender Miene auf Rebekka, die schon ungeduldig neben Vadims Bett stand.
Nikolais Stirn legte sich in Falten. »Aber die Zeremonie beginnt in fünfzehn Minuten und der Altar muss noch raus auf den Vorplatz getragen werden. Wir sind jetzt schon viel zu spät dran.«
Vadim stieß ein gequältes Stöhnen aus und Lilith sah, wie sich sein Körper unter der Bettdecke schmerzerfüllt aufbäumte. Sie musste dringend zu ihm!
»Es geht wirklich nicht, Nikolai. Kannst du nicht auf mich warten?«
Er rang hilflos die Hände. »Du hast die Leute da draußen gesehen, sie sind nervös und haben Angst vor den Vanator. Wenn wir nicht rechtzeitig mit der Zeremonie beginnen, könnte es zu einem Tumult kommen.«
Damit lag er leider richtig, eine Menschenmasse in so einem Zustand war unberechenbar. Der Beginn der Feier durfte sich nicht verzögern, damit Chavaleen endlich wieder sicher war und die Bevölkerung aufatmen konnte.
»Lilith, schnell!« Rebekkas hektischer Tonfall ließ sie alarmiert zusammenzucken.
»Ja, aber …«
Hilflos sah sie von Nikolai auf Rebekka und Vadim. Sie konnte sich doch nicht in Stücke reißen! Was sollte sie jetzt tun? »Vielleicht könntest du …«, setzte Nikolai zaghaft an.
»Was denn?«, drängte sie ihn, weiterzusprechen.
»Eigentlich würde ich niemals so etwas verlangen, aber würdest du mir das Amulett kurz anvertrauen? Du hast selbst gesehen, dass ich damit nur die Runen auf dem Altar einstellen muss. Sobald ich fertig bin, gebe ich es dir sofort wieder, versprochen!«
Unsicher biss sich Lilith auf die Unterlippe und blickte zu André, der die Hand seines wimmernden Vaters umklammert hielt. Er trug für die anstehende Zeremonie das Blutstein-Amulett schon um den Hals und eigentlich ging Lilith kein Risiko ein, wenn sie ihres für ein paar Minuten aus der Hand gab. Ihr wäre zwar wohler gewesen, wenn sie Strychnin als Begleitung hätte mitschicken können, doch der war mit Matt nach dem Frühstück in den Keller gegangen, um sich die schaurigen Kerkerräume anzusehen. Aber sie vertraute Nikolai und schließlich konnte er mit einem einzelnen Amulett nichts anfangen, außer den Altar für die Zusammenlegung vorzubereiten – und dass er damit Chavaleen verließ und flüchtete, glaubte sie beim besten Willen nicht.
»Also gut!« Sie strich ihre Haare zur Seite, griff in den Nacken und öffnete den Verschluss. »Aber du lässt es nicht aus den Augen, okay?«
Nikolai nahm das Amulett ehrfurchtsvoll entgegen. »Natürlich! Keine Sorge, ich werde gut darauf aufpassen. Du wirst es unbeschadet zurückerhalten.«
Er eilte aus dem Zimmer, während Lilith hastig an Vadims Bett trat.
»Na endlich!«, wisperte Rebekka. Ihr Blick war so vorwurfsvoll, dass Lilith das Gefühl bekam, sie hätte Vadim absichtlich leiden lassen.
Der Körper des alten Mannes wirkte noch ausgezehrter und schwächer als bei ihrem ersten Besuch. Seine Augen waren wie
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