Lilith Parker, und das Blutstein-Amulett (German Edition)
ehrlichen Worte von ihr zu hören. »Weil sie ihre Liebe vor allen verheimlichen mussten?«, fragte sie unsicher.
»Er kann Mama wohl kaum geliebt haben«, schnaubte Rebekka.
Lilith fragte sich, wie sie sich dessen so sicher sein konnte. Immerhin war Rebekka der lebende Beweis dafür, dass Baron Nephelius seine eigenen moralischen Richtlinien, die er für die Nocturi aufgestellt hatte, für Imogen in den Wind geschlagen hatte. »Aber warum hätte er denn sonst mit deiner Mutter eine Affäre haben sollen?«
Rebekka zuckte halbherzig mit den Schultern. »Vaters Frau war tot, mit seiner Tochter hatte er sich zerstritten und somit lebte er allein mit ein paar Bediensteten in einer riesigen Burg. Meine Mutter hat erzählt, dass ihm der Bruch mit seiner geliebten Tochter sehr zugesetzt hat. Er war einsam und meine Mutter hat ihn wie einen Heiligen vergöttert. Außerdem galt sie damals als die Schönheit des Dorfes und … nun ja, er war auch nur ein Mann.«
Lilith errötete peinlich berührt, aber sie wusste es zu würdigen, dass Rebekka so offen mit ihr sprach. Eigentlich fand sie es sogar ganz angenehm, mal ein normales Gespräch mit Rebekka zu führen und nicht immer nur mit ihr zu streiten oder auf ihre bösartigen Sticheleien zu warten.
»Chavaleen scheint dir gutzutun, in Bonesdale bist du ganz anders. So selbstherrlich, eingebildet und total arrogant.«
»Aber … aber nur oberflächlich!«, verteidigte sich Rebekka.
»Gut zu wissen«, entgegnete Lilith grinsend. »Übrigens war es wirklich großartig von dir, wie du Vadim in den letzten Tagen geholfen hast. Auch bei unserem ersten Besuch, als ich mich nicht überwinden konnte, ihm die Wahrheit zu sagen, und du für mich eingesprungen bist.«
»Ich war nur ehrlich.« Rebekka gähnte herzhaft. Auch wenn sie ihre Zunge mittlerweile wieder unter Kontrolle hatte, wurden ihre Augen zusehends kleiner. »Es gibt Momente, da muss man anderen die Wahrheit sagen, auch wenn sie schmerzt.«
Lilith gab es ungern zu, aber Rebekka hatte damit wohl recht. Permanent wollte sie andere schonen – Vadim, Mildred, ihren Vater und Emma. Aber war das der richtige Weg?
Genau wie in Vadims Zimmer streifte sie plötzlich ein warmer Luftzug, gefolgt von einem Flüstern, das von allen Seiten an ihr Ohr zu dringen schien. Doch dieses Mal klang es lauter und sie konnte einzelne Wortfetzen verstehen.
»Lilly … Lilly, hörst du mich?«
Alarmiert richtete sie sich auf. Niemand nannte sie Lilly, der Einzige, der regelmäßig ihren Namen verwechselt hatte, war …
»Hast du das gehört?«, fragte Lilith mit belegter Stimme, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
Rebekkas Kopf auf dem Kissen sackte müde zur Seite. »Was denn?«
»Vadim«, hauchte sie.
So langsam dämmerte ihr, was der silberne Faden zu bedeuten hatte: Vadims Seele hatte sich zwar von seinem Körper gelöst, doch der Faden wirkte wie ein Anker, der sie in dieser Welt festhielt.
»Lilian, ich komme zu dir!«
War das etwa eine Drohung? Fröstelnd schlang Lilith die Arme um sich und sie musste sich in Erinnerung rufen, dass sie in Bonesdale regelmäßig mit Geistern zu tun hatte. Eigentlich gab es keinen Grund zur Sorge, denn im Normalfall waren sie harmlos und leicht außer Gefecht zu setzen. Aber da sie die Einzige war, die Vadims Stimme hören konnte, schien bei dieser Sache nichts normal zu sein.
»Weißt du, wenn man eine Anführerin sein will, muss man im richtigen Moment knallhart die Wahrheit sagen können«, knüpfte Rebekka an ihr letztes Thema an, während sie sich in ihre Bettdecke kuschelte, »und das kannst du einfach nicht! Weil du nämlich zu gefühlsduselig bist und immer in Mitgefühl ersäufst.«
Lilith drehte sich stirnrunzelnd zu ihr um und für einen Moment vergaß sie sogar das geisterhafte Flüstern. »Willst du damit sagen, dass du mich als Anführerin für unfähig hältst?«
»Dass du unfähig bist, weißt du doch selbst!«
Lilith schnappte entrüstet nach Luft. Wie konnte sie nur glauben, dass Rebekka sich geändert hatte? Dass sie zu einer netten Unterhaltung fähig war und eine überraschend gute Seite an sich offenbart hatte, hieß noch lange nicht, dass die bösartige Zicke in ihr gänzlich verschwunden war.
»Ich wäre dir dankbar, wenn du endlich akzeptierst, dass ich die Trägerin des Bernstein-Amuletts bin. Es hat mich auserwählt!«, sagte Lilith mit mühsam unterdrückter Wut.
»Aber nur, weil ich es nicht anlegen konnte«, murmelte Rebekka im Halbschlaf. »Ich bin
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