Lilith - Wunschlos gluecklich
sie sich leichter entspannen konnte. Und bei Mathe konnte sie gar nicht entspannt genug sein. Obwohl das für Luc heute wohl auch zutraf. Er zögerte kurz, legte sich dann aber doch zu ihr.
»Nur für Mathe, keine Angst.« Sie lächelte, um die Situation ein wenig aufzulockern.
»Ja, für Mathe«, wiederholte er.
Es war gespenstisch. Er schien genau zu wissen, wo ihre mathematischen Schwächen lagen. Er schnitt zu einhundert Prozent ihre Problemzonen an. Alles, was sie beherrschte, ließ er unerwähnt. Lilith ertappte sich dabei, dass sie sich fragte, ob er wohl doch recht hatte. Wenn er sie tatsächlich kannte, war es logisch, dass er wusste, wo ihre Stärken und Schwächen verborgen lagen. Nein, nein, nein … Sie musste sich weigern, auch nur daran zu denken. Denn wenn es wirklich im Bereich des Möglichen lag, hieß es nur, dass sie im Begriff war, verrückt zu werden. Wenn sie es nicht schon längst war. Oder wie sollte man es sonst erklären, dass sie einen jungen Mann wie Luc so einfach verdrängt und vergessen hatte? Das Ganze durfte einfach nicht wahr sein …
»Lilith?« Sie sah auf. »Alles klar? Du scheinst nicht bei der Sache zu sein. Oder erkläre ich es dir nicht gut genug? Verstehst du es nicht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nichts«, versicherte sie ihm und konzentrierte sich wieder auf seine Worte, seine Gestik, sein Gesicht, seinen Geruch. Alles erschien ihr immer noch vertraut. Ach Quatsch! Das redest du dir jetzt nur ein, weil … weil er es so will . Aber es ließ ihr einfach keine Ruhe, und während Luc nicht müde wurde, ihr mehr und mehr über die Einfachheit mathematischer Gleichungen einzubläuen, versuchte Lilith, das Einmaleins zwischen ihnen zu ergründen. So sehr sie sich auch bemühte, zu verstehen, was sie mit Luc verband, sie kam einfach nicht dahinter. Doch mittlerweile konnte nicht einmal sie noch abstreiten, dass da in irgendeiner Weise ein Band zwischen ihnen existierte. Jetzt galt es rauszufinden, wie es entstanden war. Sie hoffte nur, dass sie nicht wieder ausflippen würde.
»Luc?«
Er verstummte und sah sie fragend an. »Bin ich zu schnell?«
Lilith schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht. Ich wollte dich etwas anderes … Also …« Lilith druckste herum. »Was ist mein Lieblingsessen?«
»Makkaroni mit Käse.«
Lilith stockte der Atem. Hey, er hätte alles sagen können. Es gab so viele leckere Gerichte, aber mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Woher wusste er das? Übelkeit breitete sich in ihr aus und ihr Herz hämmerte so schnell in ihrer Brust, dass sie Angst hatte, ohnmächtig zu werden. Beruhige dich … du wolltest nicht ausflippen . Er sah sie an, als wartete er darauf, dass sie ihm weitere Fragen stellte; und obwohl sie sich vor seinen Antworten fürchtete, tat sie es. »Was noch?«
Er überlegte kurz. »Jasmintee im Cadillac.«
»Das ist ja nicht schwer, wir sind uns dort schon begegnet«, erwiderte sie und war doch etwas erleichtert, dass seine erste Antwort wohl eher Zufall gewesen war.
»Deine Eltern sind meist mit sich selbst beschäftigt. Vor Kurzem hast du deine geliebte Großmutter verloren und du bist immer noch sehr traurig darüber. Die Kanne auf deinem Nachttisch ist übrigens von ihr, sie ist ihr letztes Geschenk an dich.« Er deutete auf ein Körbchen in der Ecke, in dem ein kleines Fellknäuel lag. »Das ist deine Katze Annie, sie ist schon sehr alt. Du hast sie mit drei Jahren bekommen und nach deiner Granny benannt. Du warst mit Jordan zusammen, der vor Kurzem einen schweren Unfall hatte. Unter der Zudecke liegt dein schlabberiger Lieblingspyjama. Du liebst Chips und Bücher sowie Filme über Vampire. Und du bist …«
»Stopp«, schrie Lilith. Das war einfach zu viel für ihr schwaches Nervenkostüm. Luc leierte hier gerade ihre gesamte Lebensgeschichte herunter und sie konnte sich keinen Reim darauf machen, woher er all diese Informationen über sie hatte.
Luc hielt inne. Während seiner Ausführungen war ihr übel geworden und sie hatte angefangen, immer hektischer nach Atem zu ringen. Mittlerweile hyperventilierte sie und drohte noch zu ersticken. Wieder fragte sie sich, woher er das alles nur erfahren hatte. Sie kannte ihn doch nicht … Sie kannte ihn nicht!
Er beugte sich ihr mit besorgtem Blick entgegen. »Alles klar? Du bist so blass.«
Sie konnte nicht antworten. Es war, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen und nun fiel sie. Sie fiel und kein Halt war in
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