Lilith - Wunschlos gluecklich
»Ich glaube nicht.«
»Darf ich dich begleiten?«, fragte Luc leise. »Nur damit du heil zu Hause ankommst«, verteidigte er sich und hob schon wieder die Arme, als wollte er sich ergeben.
Urplötzlich überkam sie ein Lachen und es fühlte sich gut an. Zum ersten Mal brachte sie diese Geste von Luc nicht auf die Palme. »Wenn du willst, gern.«
Luc zog sich ebenfalls seine normalen Schuhe an, schulterte ihre und seine Schlittschuhe und lief neben ihr her. Da Lilith nicht einfach so verschwinden wollte, winkte sie ihren Freunden auf dem See zu. Camille erwiderte ihre Geste und schlitterte ihnen zum Rand des Sees entgegen.
»Du gehst schon?« Lilith nickte entschuldigend. »Okay, okay … Warte kurz. Ich komme mit.«
Lilith winkte ab. »Das brauchst du nicht. Luc begleitet mich. Außerdem wolltest du später doch eh Aiden im Laden abholen, oder nicht?«
Sie blickte von ihr zu Luc und ihre Augen begannen zu leuchten. »Freut mich«, erwiderte sie schließlich. Sie beugte sich ein wenig vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ruf! Mich! An!«, flüsterte sie eindringlich.
Luc und Lilith schlenderten aus dem Park, nahmen den Bus der Linie 737 und verließen ihn nur zwei Querstraßen von Liliths Haus entfernt. Er bezahlte ganz Gentleman und trotz ihres wiederholten Widerspruchs beide Tickets.
Lilith glaubte, noch nie so viel Zeit gebraucht zu haben, um von der Haltestelle nach Hause zu kommen. Ehrlich gesagt tat es gut, sich mit Luc über ganz alltägliche Dinge zu unterhalten. Es lenkte sie von ihrem Schmerz ab, der unverändert in ihrer Brust brannte, und von dem sie immer noch nicht wusste, woher er kam. Cam, Beth und all ihre anderen Freunde schafften das nicht. Selbst wenn sie in den vergangenen Tagen mit ihnen zusammen gewesen war und sie alles versuchten, sie aufzuheitern, so hatte es keiner geschafft, den Schmerz in ihrer Brust zu lindern. Luc komischerweise schon. Warum fiel ihr das erst jetzt auf?
»Da wären wir«, unterbrach sie ihr Gespräch und deutete auf das Haus ihrer Eltern.
»Ich weiß«, erwiderte Luc. »Schließlich ist der Brief nicht allein hierhergeflattert. Also dann …«, Luc hielt ihr ihre Schlittschuhe entgegen, »… sehen wir uns morgen.« Sie nickte. Er drehte sich um und ging ein paar Schritte, während sie sich nicht rühren konnte und ihm einfach nur nachstarrte. Doch plötzlich blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu ihr um. Er lächelte, als er sie immer noch auf der gleichen Stelle stehen sah. »Gute Nacht, Lilith, und träum was Schönes.« Er wandte sich wieder ab und war gleich darauf hinter der nächsten Ecke verschwunden.
Lilith erschauderte. Nicht wegen der Kälte, die langsam aber sicher durch die eigentlich wärmenden Schichten ihrer Kleidung kroch. Alles in seinem letzten Satz hüllte sie ein und gab ihr irgendwie ein Gefühl von Sicherheit.
Gute Nacht, Lilith, und träum was Schönes … Sie wusste, sie hatte diesen Satz schon oft gehört, so oft … Nur wann? Und vor allem, von wem?
Sollte es wirklich möglich sein, dass sie ihn kannte?
*
Kaum um die nächste Ecke gebogen, ballte Luc die Hände zu Fäusten und stieß sie mit einem lauten Aufschrei des Glücks in die Höhe. Noch war nichts gewonnen, aber Lilith sprach wieder mit ihm, und sie hatte ihn tatsächlich zu sich nach Hause eingeladen.
Endlich würde er sie wieder aus nächster Nähe beobachten können. Er würde sie berühren können, ihren Duft einatmen … Ihr einfach nur nahe sein können, ohne dass sie ihn wegstieß.
Mit einem leisen Plong landete Luc in seiner alten Kanne. Alles war still, Lilith war anscheinend noch nicht da.
Er legte sich auf seine Couch und schloss ermüdet die Augen. Er wusste nicht, wie lange er schon so vor sich hingedöst hatte, als Liliths Stimme an seine Ohren drang und er plötzlich wieder hellwach war.
»Nein, Cam, es ist nichts passiert. Er hat mich wirklich nur nach Hause gebracht.« Stille. »O Cam, bitte, übertreib nicht. Er hilft mir bei Mathe, das ist alles, wirklich.«
Leider bekam Luc nicht alles mit, aber anhand von Liliths Antworten konnte er wenigstens ein wenig über Camilles Fragen und Vermutungen herausfinden.
»Ich denke mir, dass du nichts dagegen hättest, jetzt, wo du Aiden hast. Aber ich erinnere mich noch gut an den ersten Abend, als er aus dem Nichts im Cadillac aufgetaucht ist … Du hast bei seinem Anblick gepfiffen, erinnerst du dich?« Sie lachte. »Schon klar, schon klar.« Sie klang fröhlich, zufrieden …
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