Liliths Hexenhöhle
mir auf. Ich hörte sogar ihren Atem.
Aber ich sprach die Blonde an. »Ich glaube nicht, dass es der richtige Ort für dich ist. Für alle nicht, verstehst du? Ihr seid viel zu jung, um euch für Lilith zu opfern.«
»Sie zeigt uns den Weg!« Ich erhielt ihre hasserfüllte Antwort. »Ihre Feinde sind auch unsere Feinde. Und du gehörst dazu. Wir haben lange auf dich gewartet.«
»Ich kann aber nicht garantieren, dass es für euch ein Spaß werden wird.«
»Doch, Sinclair, doch. Du wirst die Qualen der Hölle erleben. Lilith’s Hölle. Wir können mit dir machen, was wir wollen. Das hat sie uns versprochen.«
»Vergiss es nur nicht«, erwiderte ich und drehte mich wieder zu Norma Ray um, in deren Augen eine gewisse Lust funkelte. Wahrscheinlich freute auch sie sich auf einen bestimmten Augenblick, der für mich das Todesurteil bedeutete.
Die Blonde hatte als letzte in der Riege gehangen. Vor mir lag die Dunkelheit der Höhle. Wohin sie führte, wussten wohl nur Lilith und Luzifer selbst, aber ich gehöre nun mal zu den neugierigen Menschen und schob eine Hand in die Tasche, um meine kleine Lampe hervorzuholen. Norma ließ mich gewähren, allerdings behielt sie mich auch unter Kontrolle.
Ich schaltete die Lampe ein. Viel Hoffnung setzte ich nicht in sie. Es gab eine Dunkelheit, die so dicht war, dass sie jedes Licht verschluckte. Besonders in Welten wie dieser. Da konnte es durchaus sein, dass ich nichts sah.
Diesmal schon.
Das Licht der Lampe riss eine Lücke in die Schwärze. Ich verstellte den Winkel, sodass ein breiterer Fächer sich seinen Weg in die Tiefe bahnte.
Leer war sie nicht.
Der Strahl traf einen bestimmten Punkt. Und dort verharrte er auch. Im ersten Moment war ich überrascht, denn damit hatte ich nicht gerechnet, aber es gehörte einfach dazu.
Ich schaute auf einen Stuhl. Nein, nicht direkt, das war schon ein Thron.
Er hatte eine hohe Rückenlehne und bestand, soviel ich erkennen konnte, aus Stein oder einem Holz, das einem Stein ähnlich bearbeitet worden war.
Das war ihr Platz!
Hier musste Lilith sitzen. Hier auf dem Thron musste sie sich wie eine Königin Vorkommen. Da saß sie und herrschte. Da behielt sie ihren Blick auf die Untertanen. Es lag kein Kissen auf der glatten Sitzfläche. Bequem wollte sie es nicht haben.
»Ihr Platz, nicht?«
Norma nickte.
»Ich werde ihn einnehmen.«
»Nein!«, schrie sie erschreckt. »Das wirst du nicht tun. Niemand darf den Thron entweihen. Er gehört Lilith allein.«
»Ich bin nicht nur einfach ein Niemand, sondern etwas mehr. Sie kennt mich und...«
»Ja, ich kenne dich, John!«
Eine andere Stimme hallte uns entgegen, und sie war mir ebenfalls nicht unbekannt. Sie hatte aus dem Dunkel gesprochen, das hinter der hohen Rückenlehne des Throns lag.
Die Finsternis blieb auch, doch aus ihr schälte sich allmählich Lilith, die erste Hure des Himmels, hervor...
***
Ich musste mir selbst eingestehen, dass ich nicht unbeeindruckt davon blieb. Lilith war kein absolutes Schreckgespenst im eigentlichen Sinne des Wortes. Okay, sie war eine Teufelin oder noch etwas mehr, wie auch immer. Und sich eine Teufelin vorzustellen war in der Regel nicht ganz einfach, aber sie war auch eine Person, die sich verändern konnte und von der Veränderung lebte.
Ich hatte schon Grufties erlebt, die ähnlich und auch schlimmer aussehen als sie. Aber sie hatte trotzdem etwas Besonderes, das sie über alle ähnlichen Gestalten heraushob.
Es war ihre Aura. Auch für mich war es nicht leicht, Worte zu finden, um sie beschreiben zu können. Ich musste mich dabei auf die des absolut Bösen verlassen, die durch Luzifer dokumentiert wurde.
Auch hier erlebte ich diese Kälte, die nicht mit der einer winterlichen Jahreszeit zu vergleichen war. Es war eben eine andere Kälte. Man konnte sie als gefühllos bezeichnen. Sie war schlimmer, denn es war die Kälte der menschlichen Seele. Der absoluten Gefühllosigkeit. Da gab es keine Begriffe wie Erbarmen, Liebe, Verständnis, es interessierte einzig und allein das Böse.
Nicht nur ich, ein jeder normal denkende Mensch spürte so etwas. Manche traf es so unvorbereitet, dass sie vor Angst zusammenbrachen und ihr Herzschlag nicht mehr mitspielte. Schon allein das Wissen, dass es so etwas gab, brachte sie um, und auch ich hatte mit mir zu kämpfen, um die Beherrschung zu bewahren.
Ich ließ sie näher herankommen. Und während sie kam, da löstet sich schleierhaft über uns das Licht von der Decke. Es fiel wie ein sanfter Teppich
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