Liliths Hexenhöhle
sie leise sagte:
»Johnny?«
»Klar, Mum, wer sonst?«
Der Junge blieb nicht an der Tür stehen. Er ging einen Schritt in den geräumigen Raum hinein. »Welchen netten Besuch hast du denn da bekommen, Mum?«
»Es ist Corinna Heller!«
»Müsste ich die kennen?«
»Nein!«
»Aber die liebt dich nicht eben – oder?«
»Das tut sie wirklich nicht.«
Corinna hatte bisher nichts gesagt und die Lage zunächst analysiert. Das änderte sich jetzt. Wahrscheinlich hatte sie erst die Überraschung verdauen müssen. Ihr Mund zeigte ein hässliches Grinsen, als sie leise sprach.
»Johnny Conolly, mit dir habe ich nicht gerechnet. Da bin ich ehrlich. Verdammt, du bist ja schon erwachsen. Da sieht man, wie die Zeit vergeht. Damals warst du noch jünger, viel jünger. Tja, auch ich bin nicht allmächtig.«
»Was tun Sie hier?« Johnny hatte sich von der Rederei nicht beirren lassen.
»Ich bin gekommen, um deine Mutter zu holen. Ja, ich werde sie mitnehmen.«
»In die Höhle, wie?«
»Gratuliere, du weißt gut Bescheid.«
Ich habe zugehört.« Johnny ging noch einen Schritt in den Raum hinein. »Aber ich weiß auch, dass ich es nicht zulassen werde. Wer immer Sie auch sind und zu wem auch immer Sie gehören, Sie werden meine Mutter nicht mitnehmen.«
»Bist du dir sicher?«
»Und wie!«
Sheila hatte zugehört. Jetzt mischte sie sich ein. »Johnny, gib Acht. Corinna ist gefährlich. Sie hat Macht. Du darfst sie auf keinen Fall unterschätzen.«
»Das werde ich auch nicht.«
Corinna lächelte. Sie war sich ihrer Sache sicher. Auch Johnny sah das kalte Lächeln. Er wollte sich auf keinen Fall davon beeinflussen oder ablenken lassen. Durch seinen Kopf waren bereits zahlreiche Möglichkeiten geschwirrt, wie er die Dinge unter Kontrolle bekommen konnte. Für ihn war es wichtig, dass er seiner Mutter einen Fluchtweg eröffnete. Das schaffte er nicht durch Worte.
Corinna warnte ihn. »Überlege genau, was du tust, Junge. Denke sehr gut nach.«
»Und ob ich das tue.« Johnny lächelte auch. Er blieb stehen, und aus dem Stand heraus startete er. Nichts hatte darauf hingedeutet. Er hoffte, Corinna Heller mit seiner urplötzlichen Aktion zu überraschen.
»Lauf, Mum, lauf weg!«
Dann prallten beide zusammen!
***
Das also war Lilith’s Hexenhöhle!
Ich stand neben Norma Ray und sah nichts. Ich hörte nur ihren leicht pfeifenden Atemausstoß, ansonsten blickte ich in eine tiefe Schwärze, aus der sich auch nichts mehr löste. Wenn sie im Dunkeln sehen konnte, war das ihre Sache. Ich jedenfalls schaffte es nicht und versuchte es anders herum.
Möglicherweise war die neue Umgebung zu riechen. Da konnte ich mich auf gewisse Erfahrungswerte berufen, denn oft genug hatte es mich in andere Dimensionen verschlagen, die auch einen anderen Geruch ausgeströmt hatten.
Der war hier ebenfalls vorhanden.
Ich bezeichnete ihn als kalt. Aber das war nicht alles, und so suchte ich noch nach einem Vergleich. Denn in die Kälte mischte sich etwas hinein, was nicht sofort zu identifizieren war. Es war der Gestank nach etwas, das es in der heutigen Zeit kaum gab. Erst nach intensivem Nachdenken fiel es mir ein.
Ruß. Ja, so roch kalter Ruß. Der Rest von etwas Verbranntem, der sich irgendwo abgesetzt hatte. So fragte ich mich, ob es in diesem Vorhof der Hölle tatsächlich so etwas wie ein Feuer gab, in dem bestimmte Dinge verbrannt worden waren, die zudem einen organischen Ursprung hatten. Da lag der Gedanke an Menschen sogar nahe.
Kalte Luft, die eklig schmeckte. Irgendwo typisch. Und wieder griff ich nach meinem Kreuz und lauerte auf eine Reaktion.
Nein, da tat sich nichts.
Es blieb so kalt und beinahe so klebrig wie die verdammte Luft vor mir.
Norma Ray, die neben mir stand, war nicht mehr als ein langgezogener Schatten, dem ich mich zuwandte. »Hast du dich nicht geirrt? Ist das tatsächlich ihre Welt?«
»Ja, ihre und unsere.«
»Die sich im Dunkeln versteckt.«
»Es wird sich ändern, John. Sie alle müssen erst noch hier sein. Verstehst du?«
»Denkst du da an deine Verbündeten?«
»Jeder von uns gehört dazu. Lilith hat alles so wunderbar eingerichtet.«
Der Meinung war ich zwar nicht, aber es gab für mich auch keinen Rückweg. Ich musste einfach nach vorn schauen und erlebte, dass mich Norma nicht angelogen hatte.
Es kam mir vor, als hätte jemand einen Vorhang allmählich in die Höhe gezogen. Nach und nach wurde die vor uns liegende Welt enthüllt. Eine gewisse Dunkelheit blieb, sie gehörte einfach dazu, aber
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