Liliths Hexentanz
schluckte und schmatzte.
Zu trinken brauchte er nicht. Der Saft des Fleisches reichte ihm aus.
Er überlegte, ob er alles auffressen sollte. Nach dem zweiten Stück Fleisch legte er eine Pause ein und schaute sich um. Er mußte immer damit rechnen, daß andere ebenso reagierten wie er und versuchten, ihm die Beute abzunehmen. Er sah keinen. Trotzdem spürte er etwas.
Plötzlich hatte er den Eindruck, nicht mehr allein zu sein. Jemand hielt sich in seiner Nähe auf, den er nicht sah, sondern nur spürte. Sein rechter Arm sank nach unten. Er öffnete die Faust, und der letzte Bissen Fleisch fiel zu Boden.
Der Dämon fühlte sich unwohl. Er überlegte, wieso dies hatte geschehen können. Er hatte gegessen, er hatte den Sieg errungen, er hätte eigentlich zufrieden sein müssen, aber er war es trotzdem nicht.
Jemand beobachtete ihn.
Deckung gab es für den anderen genug, denn auch er hatte sie ausgenutzt. Die toten Bäume, dieser graue Wald ohne Blätter und Feuchtigkeit. Irgendwo zwischen den Stämmen mußte jemand seinen Standplatz haben, der ihn nicht aus den Augen ließ.
Er knurrte leise.
Auf seinem Rücken sträubten sich die hellen Haare. Ein Zeichen, daß er unter Druck stand. Die Gefahr war da, er hatte sie sich nicht eingebildet, und etwas, das er kaum kannte, stieg in ihm hoch. Es war das heiße und zugleich bedrückende Gefühl der Angst. Wie eine dicke Platte aus Blei lagerte sie in seinem Körper und schien seine inneren Organe erdrücken zu wollen.
Wer lauerte auf ihn?
Er stand auf. Da hörte er das Knacken.
Der Dämon fuhr herum – und duckte sich. Aber nicht zum Sprung, sondern nur aus einem Grund. Jemand war erschienen, der stärker, viel stärker war als er, der herrschte und für den die Menschen viele Namen erfunden hatten.
Einer lautete unter anderem Teufel…
***
Er stand da, als wäre er aus dem Nichts gekommen. Er war zwar zu sehen, aber nicht richtig zu erkennen, denn der weißfellige Dämon wußte sehr genau, daß der Teufel nicht immer gleich aussah. Er schaffte es auch, sich immer wieder zu verändern. Er konnte mal als schaurige Gestalt, dann wieder als schöner Jüngling auftreten oder als gräßliches Monstrum. Er war da sehr flexibel.
Vor ihm stand er als, ja, als was denn?
Zu erkennen war wenig von ihm, weil er sich in einer Wolke versteckte, die zwischen den Stämmen zweier Bäume hing. Daß es der Höllenherrscher war, wie er sich gern selbst nannte, konnte der Dämon nur spüren. Er kannte diese Aura genau. Nicht daß sie ihm Angst oder Schrecken eingejagt hätte, der Teufel gehörte schließlich zu ihnen und war im gewissen Sinne einer von ihnen, nein, es war der Respekt vor einer Kreatur, die mächtiger war als er.
Deshalb dienerte er ihm auch zu. Sein flaches Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Dabei streckte er einen Arm aus und deutete auf den Rest der Beute.
»Nein!« donnerte es ihm aus der Wolke entgegen. »Ich will nichts essen.«
Der Teufel sprach mit ihm. Er übermittelte ihm eine Botschaft, und der Dämon hatte ihn verstanden, obwohl es eine Sprache war, die hier nicht gesprochen wurde, sondern in einer Welt, wo die Menschen das Sagen hatten.
Aber er konnte sie verstehen, und darüber war er sehr glücklich. Sein Maul bewegte sich. Saft vom Gebratenen rann hervor. Noch einmal dienerte er die Gestalt an, die sich nicht rührte und dem Dämon den Befehl gab, sich zu setzen.
Das tat er. Den Blick hielt er nach vorn gerichtet. Die kralligen Hände um seine dürren Knie verschränkt. Er schaute zu, wie die Wolke näher auf ihn zuwanderte, sich dabei aber nicht auflöste, sondern nach wie vor so dicht blieb und der Teufel selbst sich nur als ein Schatten in dieser Wolke abmalte.
Dunkel, in den Konturen zerschnitten und zerfließend. Deshalb sah es so aus, als würden in der Wolke nur einzelne Teile schweben, die sich hin und wieder nur zusammensetzten, um danach aber auseinander zu driften, so daß sie sich erst finden mußten.
Der Teufel wollte etwas von ihm, und der Weißfell-Dämon fühlte sich geehrt. Er zitterte unter der Erwartung. Seinen noch vorhandenen Hunger hatte er vergessen, denn was der andere von ihm wollte, das war wichtiger, viel wichtiger.
»Ich habe dich beobachtet«, hörte er den Teufel sprechen, »und ich weiß, daß du dich nicht fürchtest – oder?«
»Nein, nein!«
»Es gibt also nichts, vor dem du Angst hast?«
»Nein, nichts.« Das war gelogen. Der Dämon kannte die Angst schon, aber vor stärkeren Feinden, wie zum
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