Liliths Hexentanz
wir den Fall gemeinsam angehen. Muß ich dich daran erinnern, was wir beide auf dem Schiff gesehen haben? Muß ich das noch?«
»Nein, ich habe alles behalten, sehr gut sogar, John. Es ist mein Problem, und es war deines. Du hast mich auf dem Weg begleitet, dafür bin ich dir auch dankbar. Doch bis hierher und nicht weiter. Keinen Schritt mehr, hörst du?«
»Ich habe verstanden.«
»Bleib, wo du bist.«
»Du willst gehen?« Ich lachte leise. »Du willst dich tatsächlich in die Fänge dieser Urdämonin begeben? Das kann doch nicht wahr sein. Das ist Wahnsinn, Jane!«
»Überlasse es mir, dies zu beurteilen. Vergiß nie, was in mir steckt. Ich bin nicht nur ein Mensch, ich bin damals auch etwas anderes gewesen, und dieses andere ist niemals ganz verschwunden.« Sie ballte die Hand zur Faust und sprach weiter. »Es ist nur eine kleine Flamme gewesen. Du hast immer von einer latenten Hexenkraft gesprochen – wie ich auch. Aber du hast eines vergessen.« Sie löste die Faust auf und spreizte die Hand, als wollte sie mir etwas dokumentieren. »Aus einer kleinen Flamme kann ein gewaltiges Feuer entstehen, und dieser Fall ist bei mir eingetreten, John. Ich brenne jetzt. Ob du es glaubst oder nicht, aber ich brenne. Die Flamme ist wieder da. Ich gehöre zu Lilith. Wir werden es gemeinsam durchstehen, das kann ich dir versprechen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Sie wird dich in den Tod locken, Jane.«
»Nein, sie wird…«
»Doch!«
Wir schauten uns noch immer an. Janes Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Die frauliche Weichheit war aus ihren Zügen verschwunden.
Sie wirkte jetzt wie das oft in der TV-Werbung gezeigte Vorurteil einer harten Business-Frau, die zu allem entschlossen war und sich durch nichts aus dem Konzept bringen ließ.
Lilith hatte sich bisher zurückgehalten. Jane und ich sollten es unter uns ausmachen, aber sie sah, daß es nicht so lief, wie sie es sich vorgestellt hatte, und sie griff deshalb ein. »Es hat keinen Sinn, Sinclair. Du kannst sie nicht stoppen.«
Ich drehte beinahe durch, als ich ihre Worte hörte. »Und du wirst sie mir und den anderen nicht wegnehmen können, elende Hexe! Auch nicht eine Lilith, klar?«
Ich wußte selbst, daß ich mich möglicherweise überspitzt und zugleich naiv verhielt, aber mir kamen in diesen Augenblicken eben keine anderen Worte in den Sinn. Zudem ärgerte mich Janes Reaktion. Sie benahm sich so, als wäre diese Veränderung das Normalste auf der Welt, was es für mich, verdammt noch mal, nicht war.
Ich wollte nicht, daß Jane wieder dorthin zurückkehrte, wo sie schon einmal gewesen war, wenn auch unter einer anderen Führung.
»Du bleibst!«
Sie schüttelte den Kopf und ging vor. Dabei sah ich noch dieses abwertende Grinsen auf ihrem Gesicht.
Möglicherweise war es genau dieser Ausdruck, der mir den Rest gab, denn jetzt gab es nur die Gewalt. Ich sprang vor.
Nun bewies mir Lilith, wie stark sie war…
***
Suko war perplex. Wie von der Rolle. Oder wie vor den Kopf geschlagen.
Er hatte den Schrecken erlebt, denn alle Hexen waren tot, regelrecht vernichtet. Er hatte Smasch in Aktion erlebt, und dies war für ihn ebenfalls auf eine verdammt negative Art und Weise einmalig gewesen.
Er stand noch immer an derselben Stelle. Gedanken durchwirbelten seinen Kopf. Suko verstand es nicht, sie zu ordnen. Er war einfach zu stark beeindruckt. Und er fragte sich auch, ob dieser Killer ihn nicht schon entdeckt oder gespürt hatte, der aber zeigte kein Interesse an ihm, sondern wanderte wie ein böser Schatten durch den Innenhof, um anzuschauen, was er angerichtet oder auch geleistet hatte. Da kam es jeweils auf den Blickwinkel an. Natürlich hatten die Hexen versucht, sich zu wehren, doch sie hatten es nicht geschafft, ihre ungewöhnlichen Hexenkräfte einzusetzen, mit denen sie sicherlich ausgestattet waren.
Suko verstand ihr Verhalten nicht. Diese völlige Passivität wollte ihm nicht in den Sinn. Dieser Smasch hatte mit ihnen machen können, was er wollte.
Er hatte sie regelrecht vernichtet. Und das war noch sehr freundlich ausgedrückt. Suko hatte jemanden erlebt, über dessen Taten er nur den Kopf schütteln konnte. Wie ein düsteres Schauspiel auf einer ebenso düsteren Bühne war ihm diese Mordserie vorgekommen, und Suko hatte nicht eingegriffen. Er war auf seinem Logenplatz stehengeblieben und hatte zugeschaut.
Warum? Eigentlich war er ein Mensch, der anderen beistand, der sich immer einmischte, wenn sich ein Mitmensch in
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