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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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zurückhalten. Wie man sich bei Speisen zurückhält, die einem Magenschmerzen oder Ausschläge am ganzen Körper verursachen. Etwa Erdbeeren. Wenn man Erdbeeren ohnehin nicht mag, ist es natürlich kein Problem, darauf zu verzichten. Oder wenn es wieder einmal nur Erdbeeren gibt, die nach wäßrigen Tomaten schmecken.
    Das war der Irrtum all der Männer, die einst in Wien wie auch an der neuen Wirkungsstätte mit Lilli Steinbeck zu tun hatten. Steinbecks kühle, distanzierte Art, ihre von einer zerquetschten Nase noch unterstrichene Unnahbarkeit funktionierte nämlich bloß darum so einwandfrei, weil keiner dieser Männer sich auch nur einigermaßen eignete, ein zärtliches Gefühl hervorzurufen. Also ein Gefühl, das besagte Ausschläge verursachte, Ausschläge auf der Seele und sonstwo. Nichts, was man sich antun mußte. Und schon gar nicht, wenn es keinen guten Grund dafür gab. Männer wie Baby Hübner boten dazu so wenig Anlaß wie seine jüngeren Kollegen, deren vielleicht einziges Plus, keinen Bauch zu haben, von so mancher Grobheit und so manchem vertrottelten Gesichtsausdruck ausgeglichen wurde.
    Aber das war in diesem Augenblick ganz anders: kein Bauch, kein vertrottelter Gesichtsausdruck, nichts Grobes, auch nichts aufdringlich Weiches. Der Mann, der Lilli soeben die Hand hinhielt, schien aus der Retorte zu stammen. Ein schöner Frankenstein. Nicht ungriechisch, aber auch nicht ausgesprochen südländisch. Mediterran, das schon, mediterran wie eigentlich alles ist, das ein bißchen Zeit im Freien verbringt und nicht dreiviertel des Jahres im Regen steht wie die Iren. Der Mann besaß dunkles Haar, das in glänzenden Wellen dalag, gleich einem ölverseuchten Meer. Seine Augen hingegen waren ausgesprochen klar, Augen von der Farbe eines dieser am Rande kaltgrünen und zur Mitte hin kaltblauen Schotterteiche. So kalt die Farbe, so freundlich ihr Wesen, schien es.
    Der Mann, der kaum älter als fünfundzwanzig sein konnte und eine Spur kleiner als Lilli Steinbeck war, trug einen Schnurrbart. Schade um die hübschen, vollen Lippen darunter, Lippen, die gehäkelt anmuteten. Der Schnurrbart diente wohl dazu, älter zu wirken. Wozu auch der einfache dunkle Anzug beitrug. Vor allem aber das reinweiße Einstecktuch, das wie ein Ersatzfinger aus der Brusttasche ragte. Einen Ersatzfinger sollte sowieso jedermann bei sich tragen. Man würde nämlich staunen, wie sehr ein einziger fehlender Finger abgehen kann. Die ganze Welt kippt.
    »Herzlich willkommen, Frau Steinbeck. Ich bin Stavros Stirling, der Assistent von Hauptkommissar Pagonidis.«
    »Stirling?«
    »Mein Vater ist Engländer, meine Mutter Griechin.«
    »Nette Mischung.«
    »Freut mich, daß Sie das so sehen.«
    »Ihr Deutsch haben Sie aber nicht von Ihrem Vater, oder?«
    »Mein Deutsch habe ich aus der Schule«, sagte Stavros Stirling, wie man sagt: Ich lese nur gebundene Bücher.
    »Sie müssen ein braver Schüler gewesen sein.«
    »Ein ausgezeichneter. Trotzdem bin ich zur Polizei gegangen. Wofür mich meine Eltern hassen.«
    »Vielleicht sind Sie deshalb zur Polizei gegangen, damit Ihre Eltern Sie hassen. So was kommt vor.«
    »Nicht bei mir. Eher wollte ich verhindern, ein Verbrecher zu werden. Man wird das so leicht in dieser Welt.«
    »Und Sie meinen, als Polizist seien Sie davor gefeit?«
    »Einigermaßen. Zumindest sehr viel mehr, als die meisten glauben.«
    Steinbeck machte ein skeptisches Gesicht. Dann drückte sie dem jungen schönen Mann ihren kleinen Koffer in die Hand und fragte ihn, ob er nur darum hier sei, weil er ein perfektes Deutsch spreche.
    »Nein«, sagte Stirling, »das ist die Draufgabe. Ich bin Pagonidis’ bester Mann. Ehrlich! Ich soll Ihnen bei den Ermittlungen behilflich sein.«
    »Wieso? Hat Kommissar Pagonidis keine Zeit?«
    »Ich will offen sein, Frau Steinbeck. Der Kommissar kann die Deutschen nicht leiden, und Frauen schon gar nicht.«
    »Deutsche Frauen, meinen Sie.«
    »Frauen, die den Mund aufmachen, um genau zu sein.«
    »Der Mann ist ja ein liebes Früchtchen.«
    »Er wäre Ihnen keine Hilfe.«
    »Und Sie?« fragte Lilli.
    »Ich hoffe sehr, daß ich Ihnen dienlich sein kann«, antwortete der hübsche Frankenstein.
    Steinbeck nickte ganz leicht und lächelte ganz leicht. Und verbeugte sich ganz leicht. Es waren nette kleine Gesten, die sie da vollzog. Winzige Blümchen, die herrlich rochen.
    Stavros Stirling war ziemlich hingerissen von dieser Frau. Er hatte eine Furie erwartet, ein deutsches Ungeheuer, etwas durch und

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