Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
Zusammenhang stellen können, einen frugalen, des Obstes wegen. Lauter Deutsche, weiß, männlich, der jüngste vierunddreißig, der älteste dreiundsechzig. Alle haben auch in Deutschland gelebt, einer aus dem Osten, der Rest über den Westen verteilt, zwei aus Hamburg – keine Struktur, die ins Auge sticht. Was dagegen ins Auge sticht, ist der Umstand, daß die Fundorte der Leichname über die ganze Welt verstreut sind. Die Südspitze Chiles ist genauso dabei wie die australische Wüste. Einer befand sich am Rand von Hanoi, ein anderer auf einer winzigen Insel nahe Alaska. Am nächsten zur Heimat war noch ein Mann, den man durchlöchert in einer Scheune bei Joki-Kokko fand. Das ist nicht in Japan, sondern in Finnland.«
»Und was hat das mit Athen zu tun?«
»Das ist nie offiziell geworden. Aber nachdem klar wurde, daß hier eine Serie vorliegen könnte, hat das BKA ein Raster entwickelt, durch welches man die Biographien der Opfer schickte. Man hat sich etwas Konkretes erhofft, eine Person, einen Namen, eine Firma, die in jedem dieser Männerleben eine Rolle gespielt hat. Oder wenigstens etwas von der mystischen Sorte. Sie wissen schon, lauter Brillenträger mit exakt übereinstimmender Dioptrienzahl. Aber da ist nichts zu finden. Nichts, was diese sieben Personen wirklich vereint. Nichts, außer dem Faktum, daß ein jeder von ihnen – allerdings in ganz verschiedenen Berufen – in Athen tätig war. Einige davon in Abständen immer wieder, wobei jeder 1995 in der Stadt gewesen ist, jedoch nicht alle gleichzeitig, leider. Alles, was über die Athener Zeit dieser Männer in Erfahrung zu bringen ist, erzeugt naturgemäß gewisse Multiplizitäten, aber niemals welche, die auf jeden einzelnen zutreffen würden. Keine Frau, kein Restaurant, kein Hotel, kein Attest, nichts, was sieben Mal aufscheint. Nur das Faktum, in Athen gewesen zu sein.«
»Ich war auch schon in Athen.«
»Sie leben noch. Und Sie haben nicht in den Apfel gebissen, der da auf Ihrem Tisch liegt.«
»Was ist jetzt mit Georg Stransky? Auch ein Athener?«
»Als ich von dem Apfel erfuhr, habe ich gleich nachsehen lassen. Stransky ist Zoologe. In dieser Funktion hat er in den Neunzigerjahren, auch fünfundneunzig, einige Gastvorlesungen an der Athener Universität gehalten. Er war für ein paar Wochen immer wieder dort. Ein Zufall ist das nicht. Wenn man den Rest bedenkt.«
»Unser Herr Stransky ist also Nummer acht in der Athen-Schublade?«
»So ist es. Glücklicherweise noch ohne die Feststellung, es handle sich bei ihm um eine Leiche.«
»Was aber zu befürchten ist.«
»Was zu befürchten ist«, bestätigte Steinbeck.
»Und seine Frau? Was halten Sie von ihr?«
»Gewieft, aber unschuldig. – Nein, die hat nichts damit zu tun. Keine Verschwörung der Ehefrauen.«
»Sondern?«
»Wäre gut, das herauszufinden.«
»Die BKA-Leute waren wohl schon in Athen, oder?«
»Natürlich.«
»Denken Sie denn, es hat Sinn, sich dort umzusehen?« fragte Baby Hübner. Um gleich zu bemerken: »Die Griechen sind unmögliche Leute, wenn ich das so frei sagen darf. Mitunter schlimmer als die Türken, und das ist eine Kunst. Ich meine das nicht rassistisch. Ich rede nur von der Organisation der Polizei.«
»Na, eine Armee von Übermenschen ist bei uns ja auch nicht am Werk.«
»Sie wollen also nach Athen fliegen?«
»Mit der nächsten Maschine, wenn Sie einverstanden sind.«
»Wir müßten den griechischen Kollegen Bescheid geben.«
»Tun Sie das. Sagen Sie, es eilt. Und sagen Sie denen, eine Frau kommt.«
»Wollen wir sie nicht überraschen?«
»Sie scheinen diese Leute wirklich nicht zu mögen. Bei mir ist das anders. Ich mag die Griechen, auch wenn die Männer schreckliche Machos sind. Aber das hält man schon aus. Jedenfalls ist mir lieber, wenn die wissen, daß da ein Weib antanzt.«
»Sie werden tanzen?« fragte der Hauptkommissar.
»Aber natürlich«, sagte Steinbeck. Es klang, als rede sie mit einer Extraktionszange.
»Also gut, ich bereite die Griechen vor«, sagte Hübner.
Am selben Abend saß Lilli Steinbeck im Flieger nach Athen.
3
Grün
»Meine Güte, lieber Gott!« dachte Lilli Steinbeck. Und sagte sich: »Nur keine Liebesgeschichte.«
Denn auch für Neutren existiert das Wort »Bedrohung«. Schließlich sind Neutren nicht vollkommen frei von jeglichem Sexus, nicht frei von Verführung und Attraktion. Neutren sind neutral, aber nicht unverwundbar. Sie sind Menschen, die sich aus gutem Grund und tiefer Überzeugung
Weitere Kostenlose Bücher