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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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ab, bis er auf eine einspurige Zufahrt zwischen dichtstehenden Bäumen gelangte. Wäre dem Bentley ein anderes Auto entgegengekommen, hätte es kaum eine Möglichkeit gegeben, aneinander vorbeizugelangen. Aber Lilli brauchte sich gar nicht erst zu erkundigen. Sie konnte sich denken, daß immer nur ein Gefährt diese Strecke frequentierte. Gar keine Frage, hier lag ein präzises System vor.
    Die niedrige Steinmauer, deren schmucklose und unversperrte Öffnung der Wagen passierte, war zwischen den Bäumen kaum zu erkennen. So wenig wie ein Sicherheitssystem. Keine Hunde, keine Videoanlagen, kein Stacheldraht, nur das zauberwaldartige Dickicht.
    Wenn Antigonis erklärt hatte, sich verpflichtet zu fühlen, mittels Bodyguards ein Bild zu erfüllen, das Bild seiner gesellschaftlichen Stellung, so schien dies hier nicht der Fall zu sein. Es wäre ein leichtes gewesen, sich Zutritt zu diesem Grundstück zu verschaffen. Daß niemand dies tat, verwies freilich auf etwas, was der Chauffeur des Bentleys als »Respekt« bezeichnet hätte. Wobei Lilli bei diesem Begriff immer an die Angst denken mußte, aus der er in der Regel geboren wurde, der Respekt.
    Mit einem Mal endete das kompakte Dunkelgrün und eine weite, ungriechisch saftige und sanfte Parklandschaft eröffnete sich. Ein Golfrasen zwischen Pinien und Zypressen und kugelförmigen Sträuchern. Allerdings wurde hier nicht Golf gespielt. In hohen Bögen schossen schmale Fontänen aus hin und her schwenkenden Sprinklern. Zwischen dem tanzenden Naß, aber auch mittendrin, standen und saßen Menschen. Lilli erkannte augenblicklich, wie wenig diese Personen ein übliches Bild boten. Sie erkannte die ungewöhnlichen Haltungen der Körper, die unkoordinierten Bewegungen, die Deformationen, die verätzten Gesichter, die fehlenden Glieder. Aber ebenso schnell registrierte sie die Ausgelassenheit, den Frieden, der an diesem Ort herrschte. Sie kurbelte das Fenster herunter, wie um diesen Frieden in den Wagen zu lassen. Dabei sah sie einen kleinen Fußballplatz, auf dem Männer und Frauen einen leuchtendgelben Ball durch die Luft traten. Bei jenen Spielern, die sichtbar ohne Handikap waren – so dachte Lilli nun –, mußte es sich wohl um weitere der sagenumwobenen Journalisten handeln, die jetzt für Antigonis arbeiteten.
    Fragte sich freilich, in welcher Funktion? Als Pfleger? Als Therapeuten? Wahrscheinlich. Denn der Anblick, der sich bot, ließ an eine Klinik, ein Sanatorium denken, nur daß hier niemand in uniformer Kleidung herumlief. Ein gutes Sanatorium. Kein Affenkäfig.
    Der Weg führte nun einen sanften Hügel aufwärts. Das Gelände wurde von terrassenförmig angelegten Rasenflächen bestimmt. Dazwischen Gemüsebeete, in denen Leute mit Sonnenhüten knieten. Sodann eine Reihe kleinerer und größerer Gewächshäuser, an deren Ende eine aufsteigende Spirale unterschiedlich geschnittener Hecken anschloß. Dahinter wiederum eröffnete sich ein weites, erneut von einem kurzgeschnittenen Rasen beherrschtes Plateau, aus dessen Mitte ein Gebäude aufragte.
    Was hatte sich Lilli erwartet? Nun, am ehesten wohl eine großzügige Villa, ein schloßartiges Anwesen, eine architektonische Extravaganz. Was sie jetzt aber sah, war schlicht ein Bürokomplex. Nicht unschick, aber kaum extravagant zu nennen. Ein silberfarbener Würfel auf rechteckigem Grundriß, siebenstöckig, mit überaus schmalen, aber durchgehenden, rostbraun gefärbten Scheiben, während allein das Erdgeschoß über helle, hohe Fenster verfügte. Ein moderner Zweckbau. Nur daß dies hier doch wohl kaum eine Firmenzentrale darstellte. Eher eine Familienzentrale. Oder?
    Nachdem der Wagen seitlich geparkt worden war, führte der Chauffeur Lilli zur Vorderseite, wo man durch eine automatisch sich öffnende Glastüre in einen weiten Vorraum trat. Allerdings fehlte ein Empfang. Der Raum war leer, frei von Kunst, frei von Pflanzen, frei von Menschen. Dafür gab es Aufzüge. Mit einem davon fuhr man ins vorletzte Stockwerk und kam in einem Büroraum an, welcher im klaren Schein einer unter Lamellen verborgenen Beleuchtung lag. Das Licht, das von draußen durch die schmalen, getönten Scheiben fiel, war nicht mehr als ein Sud von Licht. Wie auch die Landschaft ein Sud von Landschaft. An den weißen Tischen, mit Mikros, die wie kleine Wurmlöcher vor ihren Mündern schwebten, saßen ein Dutzend geschäftiger Leute an ihren PCs. Auch hier zeigten fast alle Personen Spuren einer groben Verletzung. Was Lilli dabei am meisten

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