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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Bauch aus lauter Löchern bestand, die verschieden groß – vom Radius einer kindlichen Fingerspitze bis zu dem einer Fünfzig-Cheng-Münze – in das enganliegende Gewebe eingestanzt waren. Ein Gewebe von der Farbe hellen Brotteigs. Das Kleid wurde von zwei dünnen Trägern gehalten, aber nicht wirklich, sondern von Steinbecks kleinen, dafür festen Brüsten. Wie gesagt, da waren jede Menge Löcher, die eigentümlicherweise die Wirkung von Spiegeln besaßen. Ja, es war, als könne ein Betrachter sich auf Steinbecks heller Haut in vielen runden Ausschnitten wiedererkennen.
    Sie ließ das Kleid gleich an, während man ihr das, mit dem sie gekommen war, einpackte. Sie plazierte das Päckchen in ihrer Tasche. Das war einer der Gründe, weshalb sie den Sommer, auch den in Athen, jeder anderen Jahreszeit vorzog. Wenn man die Kleider wechseln konnte gleich einem Chamäleon.
    Exakt um neun Uhr stieg Lilli Steinbeck aus dem Taxi, das vor dem Gebäude des Hotels M 31 gehalten hatte. Pünktlichkeit in der Fremde stellte wahrlich eine Kunst dar. Wo aber war Kallimachos?
    Nun, sie erkannte ihn nicht gleich. Nicht nur, weil er sein Wägelchen nicht dabei hatte und sich statt dessen auf einen schwarzlackierten Stock stützte. Vielmehr war der ganze Mann verändert. Er trug einen Smoking, und zwar einen ausgesprochen gut sitzenden, welcher der ganzen beleibten Gestalt einen kompakten, aufrechten und würdevollen Eindruck verlieh. Der haarlose Schädel wirkte poliert, das Gesicht nicht so gehetzt und verschwitzt wie mittags, weniger verwaschen, die Züge konkreter, der Mund voller, lippiger. Auch trug Kallimachos jetzt eine Brille, deren Glas eine blaßgelbe Färbung besaß und das blutunterlaufene Augenpaar auf eine sonnige Weise einschattete. Eigentlich war es die aus der Mitte des Mundes ragende Zigarette, die Steinbeck sofort wiedererkannte. So rauchte nur einer, ohne auch nur einmal nach der Kippe zu greifen oder sie in einen der Mundwinkel zu verschieben.
    »Sie erinnern mich an Orson Welles«, sagte Steinbeck zur Begrüßung.
    Kallimachos öffnete den Mund, sodaß seine Zigarette wie ein Dachziegel zur Erde fiel. Er küßte Steinbeck erneut die Hand, murmelte etwas von wegen des Kleides, das ihr ausgezeichnet stehe, und fragte dann, welchen Orson Welles sie meine.
    »Den Schauspieler«, antwortete Steinbeck.
    »Ich meinte, aus welchem Film.«
    »Aus keinem Film. Eher, als er seinen Ehrenoscar entgegennahm.«
    »Danke«, sagte Kallimachos und wies mit dem Stock in Richtung des Hoteleingangs.
    Über das M 31 soll hier nicht viel gesagt sein und geschimpft werden. So wenig wie über das Blue Lion . Es gibt nun mal häßliche Orte, die herausgeputzt sind, als würden sie sich auf Teufel komm raus einen Liebhaber angeln wollen. Das ist peinlich, aber nicht zu ändern. Dafür aber teuer.
    Es kam Steinbeck vor, als sei Kallimachos hier kein Unbekannter. Weniger, weil man sich ihm zuwandte, als umgekehrt. Er blieb völlig unbehelligt, also auch von Gesten des Eifers und der Unterwürfigkeit.
    Solcherart unbelästigt, gelangten Steinbeck und Kallimachos an die Bar, wo sie sich auf hohen Hockern niederließen. Der Detektiv unter beträchtlichen Mühen, wie sich denken läßt. Wer auch immer diese Stühle entworfen hatte, hatte einfach nicht an Männer wie Spiridon Kallimachos gedacht. Designer sind meistens schlank, Gott weiß warum, und so sehen dann auch ihre Möbel aus. Aber Kallimachos schaffte es. Freilich quoll sein Hintern mit beträchtlichen Anteilen über die Ränder der Sitzfläche. Na, immerhin war der Platz bestens geeignet, um das gut gefüllte Restaurant zu überblicken. Auch hatten weder Steinbeck noch Kallimachos Lust auf Essen. Sie waren beide klassische Trinker, keine Alkoholiker, Trinker, die von ein paar Martinis satt wurden. Und es gab nun mal sehr dünne und sehr dicke Trinker.
    Steinbeck bestellte besagten Martini, Kallimachos einen Bourbon, von dem Steinbeck noch nie gehört hatte: najmoHwI’ – das heißt soviel wie Schlaflied.
    »Und was jetzt?« fragte Kallimachos.
    »Wir warten.«
    Sie sprachen über Mannheim, doch es wurde ein schlechtes Gespräch. Dann wechselten sie zu Orson Welles, was eindeutig das bessere Thema war. Zwischenzeitlich hatte sich das Restaurant zur Gänze gefüllt. Viele Geschäftsleute, wie es schien, vor allem Griechen. Die Männer durchgehend älter als die Damen. Man saß auf Stühlen, die aussahen, als trügen sie weinrote Hausmäntel. Die Stimmung war gut. Das Personal schwebte

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