Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
man den Kerl von mir heruntergeschossen. Gleich danach mußte ich niesen. Ich dachte, es sei wegen des Qualms, der durch die Rauchbombe entstanden war. Aber wenn ich mich jetzt erinnere, muß ich sagen: Ich glaube, ich hatte Pfeffer in der Nase. Wieso aber Pfeffer?«
»Der Fisch war mit einer Pfefferpaste bestrichen«, erklärte der Detektiv und zündete sich eine neue Zigarette an.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Eine spezielle Foltermethode, damals, zur Zeit der Armee. Eine Variante der sogenannten Pfefferbehandlung.«
»Das Einreiben der Genitalien mit Pfeffer. Das ist mir bekannt«, sagte Steinbeck. »Aber nicht, einen Fisch damit einzureiben.«
Eine Abart der Abart, erklärte Kallimachos. Oralverkehr mit einem pfefferverschmierten Fischmaul. Das sei nicht nur einfach schmerzhaft, sondern derart befremdlich, daß der Eindruck unauslöschlich bleibe. Und das Unauslöschliche sei nun mal der Sinn einer jeden Folter. Auch wenn der Gefolterte am Ende stirbt. Er soll die Bilder mit in den Tod nehmen. Er soll nie vergessen, seinem Folterer ein gepfeffertes Fischmaul geblasen zu haben. Was für die Leute, die am Leben bleiben, natürlich erst recht gilt. Kein Markt, kein Restaurant, wo nicht Fische wären, Fische in Büchern, Fische in Filmen, als Embleme, auf Plakaten. Keine Möglichkeit, der Erinnerung zu entgehen.
»Ich hörte«, sagte Steinbeck, »Sie seien selbst an solchen Folterungen beteiligt gewesen.«
»Ich kenne mich aus, ich weiß Bescheid«, erklärte Kallimachos. Eine richtige Antwort war das eigentlich nicht. Er fragte: »Wollen Sie noch immer, daß ich für Sie arbeite?«
Steinbeck überlegte. Was sollte sie von diesem paffenden, elefantiasischen Fleischberg halten? Nun, der Mann schien wirklich eine Ahnung zu haben. Und das war einfach der Punkt.
»Ja«, antwortete Steinbeck. »Ich will, daß Sie mich begleiten. Daß Sie die Türen öffnen, die ich selbst nicht zu öffnen vermag. Wieviel verlangen Sie?«
»Für das Öffnen von Türen? Nichts. Ich will kein Geld.«
»Sondern?«
»Ein Versprechen.«
»Und zwar.«
»Wegzusehen, wenn ich Sie darum bitte.«
»Wobei wegsehen?«
»Würde ich Ihnen das sagen, bräuchte ich nicht darauf bestehen.«
»Ich bin Polizistin, wie Sie wissen. Ich kann schwerlich etwas Ungesetzliches zulassen.«
»Wieso denn nicht?« meinte Kallimachos und blies eine Wolke aus, die für einen Moment wie ein kleines Gewitter über dem Tisch stand. »Stirling sagte mir, ich müßte Sie als Privatperson betrachten.«
»Ja«, seufzte Steinbeck. »Da hat Stirling recht.«
»Wo liegt dann also das Problem? Vielleicht wird es auch gar nicht dazu kommen. Falls doch, möchte ich nur, daß Sie kurz woanders hinschauen. So einfach.«
»Und Sie verraten mir nicht, warum?«
»Ich sage nur soviel: Für eine gute Sache.«
»Die Schweine, die foltern, meinen doch auch, es sei für eine gute Sache, nicht wahr?«
Kallimachos reagierte nicht. Er wartete.
»Gut. Abgemacht«, rang sich Steinbeck durch. »Ich werde mich totstellen. Einmal.«
»Es wird auch nur einmal nötig sein«, kündigte der dicke Mann an.
»Gut«, wiederholte Steinbeck.
Meinte sie das wirklich ernst? Würde sie tatsächlich bereit sein, eine Sache geschehen zu lassen, die wohl ziemlich weit von einem formvollendeten Handkuß entfernt war? Bei der es sich eher um …
Steinbeck bat um eine Zigarette. Kallimachos hielt ihr die Packung hin und gab ihr sodann Feuer. Alles, was er tat, wurde von einem Keuchen begleitet, das wie aus einem tiefen Schacht hochfuhr. Sein Körper war eine Fabrik aus alten Tagen. Eine Fabrik, aus der es spuckte und qualmte und dröhnte, in der aber nichts produziert wurde. Noch nicht.
»So!« tönte Kallimachos. »Worum geht es also?«
Steinbeck erzählte vom Verschwinden Stranskys, erwähnte den »betäubenden« Apfel, erwähnte die ausgestorbenen Riesenalken und kam auf Diplodokus zu sprechen, ohne aber dessen Namen zu nennen. Sie berichtete von jenem Geschäftsmann, der ein Jahrzehnt zuvor Georg Stransky angesprochen, ins Blue Lion eingeladen und ihm am Ende des Abends eine kleine Batmanfigur überreicht hatte.
»Ich verstehe«, sagte Kallimachos, »Sie sehen da einen Bezug. Einen Bezug zu Ihrer Begegnung letzte Nacht.«
»Ich glaube nicht an Zufälle«, erläuterte Steinbeck. »Ich glaube an Zusammenhänge. Wenn die Gestalt eines Monsieur Batman so rasch hintereinander eine Rolle spielt, hat das eine Bedeutung.«
»Sie sind hier die Auftraggeberin. Sie bestimmen auch, was
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