Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck
leichtfüßig durch die Reihen. Die Szenerie hatte etwas von einem freundlichen Tumult. Einem Tumult der Feinspitze.
Erneut kam Kallimachos auf die Sinnlosigkeit dieser Unternehmung zu sprechen: »Jetzt abgesehen davon, daß wir gar nicht wissen, wer unser Mann ist oder wie er auch nur aussieht, fragt sich doch, wie wahrscheinlich es ist, daß er gerade heute abend dieses Lokal besucht.«
»Ich wäre nicht hier, wäre es nicht wahrscheinlich«, antwortete Steinbeck. »Übrigens: Ich bin überzeugt, daß man mich beobachtet. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Leute, die die Freundlichkeit hatten, mir einen perversen Maskenmann zu schicken.«
»Grotesk!« stieß Kallimachos zwischen den Lücken seines Zigarettenmundes hervor.
»Auch das Groteske will erdacht und bestimmt sein«, meinte Steinbeck. »Unsere ganze Wirtschaft funktioniert so.«
»Sie sind hoffentlich keine Linke«, sagte Kallimachos.
»Sie sind hoffentlich keine Fledermaus«, erwiderte Steinbeck.
Das brachte sie auf eine Idee.
»Bin gleich wieder da«, erklärte Steinbeck und verließ den Gastraum, um die Damentoilette aufzusuchen. Dort sperrte sie sich ein, nahm ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer, die ihr Stavros Stirling gegeben hatte.
»Ich habe eine Bitte«, eröffnete sie.
»Einen Moment«, gab Stirling zurück. Das Schreien des kleinen Leon war überdeutlich zu vernehmen. Dazu Inulas gereizte Stimme. Gleich darauf wurde eine Türe geschlossen, und das Gebrüll trat weit in den Hintergrund.
»Was wollen Sie?« fragte Stirling. Auch er war gereizt.
»Hören Sie auf, die Nerven zu verlieren«, empfahl Steinbeck. »Wenn diese Sache vorbei ist, werde ich Ihnen zeigen, wie Sie Ihr Kind beruhigen können.«
»Warum nicht gleich?« fragte Stirling, der ihr kein Wort glaubte.
»Weil alles auf einmal eben nicht geht. – Also, hören Sie zu. Rufen Sie in fünf Minuten im Blue Lion an und verlangen Sie nach einem Mr. Batman. Erklären Sie, daß das kein Witz wäre, daß Sie von der Polizei seien und die Angelegenheit eile. Ein Mann mit diesem Namen halte sich mit absoluter Sicherheit im Restaurant auf.«
»Was erhoffen Sie sich davon?«
»Tun Sie einfach, worum ich Sie bitte.«
»Na gut«, sagte Stirling müde.
»Und wie gesagt, wenn alles vorüber ist, werde ich Ihnen helfen.« Fast glaubte sie selbst, was sie da sagte.
Ohne ein weiteres Wort legte sie auf, trat hinaus vor den Spiegel, richtete winzige Details ihres geschickt und kompliziert aufgesteckten Haars und ging dann wieder zurück an die Bar, wo bereits ein frischer Martini auf sie wartete. Der Alkohol schien in dieser Stadt geradewegs zu verdampfen.
»Sehr aufmerksam«, sagte sie, nahm einen Schluck und entspannte sich. Aber nur, um Minuten später in einen Zustand allerhöchster Konzentration zu verfallen. Wobei Kallimachos sie nicht störte. Er sah ja, daß Steinbeck zu tun hatte.
Einer der Kellner war – ohne eine Speise zu servieren, ohne gerufen worden zu sein und mit einer Haltung und einem Blick totaler Untröstlichkeit – in den Raum getreten, um sich nun von einem Tisch zum nächsten zu bewegen und die Gäste zu befragen, ob sich ein gewisser Mr. Batman unter ihnen befände.
Steinbeck sah, wie jemand lachte und das Wort »Batman« wiederholte. Ganz offensichtlich war das nicht sein Name. Nun, es war auch nicht der Name von irgend jemand anders in diesem Raum. Niemand hier hieß Batman oder auch nur Bateman, wie der Knabe aus American Psycho . Aber darum ging es ja nicht. Es handelte sich um eine Botschaft. Und diese Botschaft kam an.
Ihre Blicke trafen sich. Die Blicke Steinbecks und eines Mannes, der sich inmitten einer größeren Gesellschaft befand.
Auch an diesen Tisch war der Kellner entschuldigend getreten, um nach einem Herrn Batman zu fragen. Abrupt hatte ein vollhaarig ergrauter Mensch Mitte der Sechzig seinen Kopf gehoben und in Richtung von Lilli Steinbeck geschaut. Sofort begriff er seinen Fehler, aber es war zu spät. Und weil er ein guter Verlierer war, lächelte er Steinbeck zu, nickte anerkennend und zog sodann mit einer einholenden Geste seines Zeigefingers den Kellner zu sich, um ihm eine Anordnung zu geben.
»So«, sagte Steinbeck zufrieden, »jetzt haben wir wenigstens ein Stückchen Fairneß hergestellt.«
»Was für eine Fairneß?« fragte Kallimachos.
»Es ist ungerecht, wenn von zwei Personen nur die eine die andere kennt und nicht umgekehrt.«
Kallimachos verstand nicht. Aber schon war der Kellner an die beiden
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