Lilly Höschen (01): Walpurgismord
nicht selbst mit meinen Vermutungen zur Polizei gegangen bin«, sagte Hans Gutbrodt gelassen. »Wir können uns doch nicht einbilden, dass wir selbst damit fertig werden. Der Kommissar hat mich angerufen. Wir treffen uns morgen früh.«
Lautenthal, 7. August 2010
Am Wochenende war wieder Klaus aus Hannover zu Besuch. Er fühlte sich bei Lilly wie zu Hause. Als gegen Abend auch Amadeus und Marie kamen, lud Lilly alle zum Schnitzelessen in ein berühmt-berüchtigtes Restaurant ein. Angesichts des angenehmen Wetters saßen die vier draußen. Klaus und Amadeus hatten je ein gigantisches Schnitzel bestellt. Als es serviert wurde, sagte Lilly:
»Ihr Wahnsinnigen!«, während die beiden Männer in Gelächter ausbrachen. Nach dem Essen und mehreren Gläsern Wein schlenderte man gemütlich über den schrägen Marktplatz und anschließend den Schulberg hoch bis zu Lillys Haus, wo man es sich noch im Garten gemütlich machen wollte.
»Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so vollgefressen«, sagte Amadeus und rülpste laut.
»Mein Gott, wo bin ich denn hierhin geraten?«, stieß Marie aus.
»Meine Versuche, diesem Bengel etwas Erziehung und Kultur einzuverleiben, sind kläglich gescheitert«, stöhnte Lilly. »Nicht nur, dass er rülpst wie ein Walross, er zerstört auch Bänke bei harmlosen Menschen, bekommt Lachkrämpfe beim Vorstellungsgespräch und fällt nackt von Dächern.«
»Die Geschichte kenne ich noch gar nicht. Erzähl, Lilly«, sagte Marie ganz aufgeregt.
»Ich warne dich!« schoss es aus Amadeus heraus.
»Nun, ich denke, das werde ich mir für später aufheben«, sagte Lilly zu Marie.
»Wenn mich der Bengel mal wieder so richtig ärgert, dann werde ich dir die Geschichte in allen Einzelheiten erzählen.«
Später am Abend, als alle im Wohnzimmer saßen, fragte Klaus in einer stillen Ecke:
»Hast du mittlerweile entschieden, was du mit deinem Schweizer Vermögen machen willst, Lilly?«
»Bisher hatte ich keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen. Vielleicht fahre ich mal wieder in die Schweiz, hebe alles ab und bringe es in bar nach Deutschland.«
»Und wenn du erwischt wirst?«
»So dumm bin ich nun auch nicht. Ich kann ja von dort nach Frankreich fahren und dann irgendeinen Grenzübergang im Norden nach Deutschland nehmen. Es kommt ja niemand auf die Idee, dass aus Frankreich kommende Reisende Geld aus der Schweiz dabei haben.«
»Deine kriminelle Energie ist fast bewundernswert.«
»Danke«, sagte Lilly und lächelte Klaus an.
»Hast du eigentlich aufgrund deiner letzten Aussage etwas von der Polizei gehört?«
»Das war wohl ein Schuss in den Ofen. Es ist zwar gelungen, die DNS von Georg zu bestimmen, aber man hat diese DNS eben nicht an den Gegenständen, zum Beispiel der Garderobe der Ermordeten, gefunden. Wahrscheinlich ist unserem Herrn Gutbrodt die Fantasie durchgegangen mit seinen wüsten Vermutungen.«
Jetzt gesellten sich auch Amadeus und Marie dazu, die mit halbem Ohr mitgehört hatten.
»Ich denke, das Thema ist vom Tisch«, sagte Amadeus und gab Lilly, die sich einen Zigarillo nahm, Feuer.
»Und wie ist jetzt das Verhältnis zu Hans Gutbrodt, nachdem du weißt, dass er dein Erzeuger ist?« fragte Klaus seinen Freund.
»Vom Verstand her sachlich neutral, vom Gefühl her merkwürdig. Ob ich jemals Gefühle für ihn entwickeln werde, wie sie zwischen Vater und Sohn normal sind, das kann ich mir nicht recht vorstellen. Jedenfalls möchte ich Kontakt halten und er auch. Vielleicht nähern wir uns ja im Laufe der Zeit an. Mir wäre es recht. So viele Väter hat man ja nicht, höchstens ein oder zwei.«
»Aber er scheint doch ziemlich überzeugt zu sein, dass Georg der Täter ist«, entgegnete Klaus.
»Scheint so, aber die Indizien sind ja nicht so berauschend: Ein anonymer Brief mit dem Satz, den angeblich nur Hans und Georg wissen können. Das ist alles. Aber absolut keine DNA an der Leiche. Das ist ausgesprochen wenig.«
»Aber mysteriös ist es doch. Man sollte den Gedanken nicht so einfach beiseite schieben. Da will jemand Hans Gutbrodt fertigmachen. Und da die Leiche hier im Garten abgelegt wurde, führt man auch etwas gegen euch im Schilde.«
»Klaus«, meldete sich nun Lilly zu Wort, »du machst mir Angst mit deinen Spekulationen. Setz dich lieber in Bewegung und hole uns was zu trinken.«
Lautenthal, 8. August 2010
Amadeus fuhr vormittags mit Marie und Klaus an die Talsperre, um das gute Wetter auszunutzen und zu schwimmen. Lilly rief ihren
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