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Lilly Höschen (01): Walpurgismord

Lilly Höschen (01): Walpurgismord

Titel: Lilly Höschen (01): Walpurgismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Exner
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Aber Georg konnte das nicht mehr ertragen. Auf jeden Fall kam besagter Lehrer kurz nach seinen ersten Übergriffen auf mysteriöse Weise ums Leben. Über die näheren Umstände will ich jetzt nichts sagen. Nur soviel: Wir waren an seinem Tod zwar nicht schuld, aber eben auch nicht ganz unschuldig. Das heißt, wir hätten ihn vielleicht retten können. Als wir dann wussten, dass der Typ tot ist, schauten wir uns an, erst ganz ängstlich und dann lächelnd. Und Georg murmelte: Das behalten wir für uns. Und ich sagte: Auf Gedeih und Verderb – wir bleiben Freunde! «
    »Was heißt, ihr ward nicht ganz unschuldig an seinem Tod?«
    »Amadeus, das kann und will ich jetzt nicht erzählen. Nur soviel: Kein Mensch kann das gehört haben. Später haben wir diesen Spruch noch öfters gesagt, aber immer nur, wenn wir allein waren. Das war wie eine Verschwörung. Niemand außer uns beiden wusste von unserem Geheimnis und niemand wusste von diesem Spruch. Niemand außer Georg und mir.«
    Es passierte selten, dass es Lilly die Sprache verschlug. Aber nun war sie ganz bleich geworden und Amadeus sagte:
    »Und was sollen wir deiner Meinung nach machen? Zur Polizei gehen und sagen, dass Georg vor zwanzig Jahren meine Mutter umgebracht hat und heute durch Deutschland reist und Menschen ermordet?«
    »Ich weiß es nicht.«

Bayern 1962
     
    Er war nicht besonders groß geraten, hatte dunkles Haar und hieß Michael Leutkamp. Der Neue. Ein sehr stiller Typ offenbar, schüchtern. Zwölf Jahre alt. Mit dem würde man keine Probleme haben. Er war der neue Zimmergenosse von Georg und Hans.
    Eines Nachts öffnete sich die Tür. Hans bekam sein übliches Herzklopfen und Georg versteifte sich vor Angst. Dann leises Gemurmel und Michael verschwand mit dem Pater. Nach einer Ewigkeit kam der Junge zurück. Am nächsten Morgen war er noch stiller und einsilbiger als sonst. Georg wurde nie wieder von Pater Sigismund geholt. Jetzt war Michael an der Reihe. Über mehrere Jahre hinweg. Und im Gegensatz zu anderen Jungen, die nach einer gewissen Eingewöhungsphase auftauten, blieb er der stille, in sich gekehrte Junge, der keine Freunde hatte. Hans, Georg und die drei anderen aus dem gemeinsamen Zimmer waren zwar einigermaßen freundlich zu ihm, aber irgendwie gehörte er nie richtig dazu.
    Als kurz vor Weihnachten die Eltern kamen, um ihre Söhne abzuholen, trauten Hans und Georg ihren Augen nicht. Michaels Mutter war eine Bombe. Groß, formenreich, blond, in Pelz gehüllt, mit Schmuck behangen. Sie stand zusammen mit Pater Sigismund und unterhielt sich über die gute Erziehung, die ihrem Sohn hier angedieh und wie froh sie sei, dass ausgerechnet dieser wohlmeinende Pater sich ihres Sohnes angenommen habe, der ja etwas schüchtern und verschlossen sei. Hans und Georg hätten diesen Schinder am liebsten in den Hintern getreten. Was Michael angesichts dieser Schau für Gefühle haben musste, konnte niemand auch nur erahnen.

Lautenthal, 5. August 2010
     
    »Herr Kommissar, haben Sie irgendwelche Neuigkeiten hinsichtlich meiner Gartenleiche für mich?«
    Lilly saß in ihrem Wohnzimmer und telefonierte mit der Kriminalpolizei.
    »Es tut mir leid, Fräulein Höschen, aber wir haben noch immer keine heiße Spur. Ist Ihnen inzwischen vielleicht noch irgendwas eingefallen?«
    »Eigentlich nicht. Aber... « Es entstand eine kurze Pause, bis Kommissar Schneider fragte:
    »Aber was?«
    »Tja, man macht sich so seine Gedanken. Ich bin Tag und Nacht am Grübeln. Vielleicht wäre da doch noch eine Sache, die es wert wäre, ausgesponnen zu werden. Aber seien Sie nicht enttäuscht, wenn es am Ende nichts bringt.«
    »Das hört sich ebenso interessant wie rätselhaft an, Fräulein Höschen. Am besten, ich komme noch mal zu Ihnen und Sie erzählen einfach alles, was Ihnen einfällt. Ob ich dann enttäuscht sein werde, ob es etwas bringt oder nicht, das sehen wir ja dann. Wenn es wirklich nichts bringen sollte, dann erfreue ich mich eben einfach an der schönen Aussicht, die man von Ihrem Haus aus hat.«
    »Das ist eine gute Einstellung. Wann wollen Sie kommen?«
    »Wie wäre es mit sofort?«
    »Ach du meine Güte. Na gut, kommen Sie. Aber bitte seien Sie nicht enttäuscht und vor allem, halten Sie mich nicht für verrückt, wenn Sie hören, was ich Ihnen zu erzählen habe. Ich bin zwar nicht mehr ganz neu, aber die Tassen in meinem Schrank sind noch relativ vollzählig.«
    Der Kommissar musste unwillkürlich lachen und sagte: »Den Eindruck habe ich allerdings auch.

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