Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Kilometer nördlich von Winnipeg.«
»Und wo genau?«
»Woher soll ich wissen, hinter welchem Strauch er da sitzt? Vermutlich fliegt er mit dem Hubschrauber zu irgendeiner Stelle in die Wildnis, die für die Ausbeutung von Diamanten interessant ist.«
»Du meine Fresse«, sagte Gisela im Hinausgehen. »Das war ja wohl der größte Hosenschiss meiner bisherigen Laufbahn.«
Und der Staatsanwalt, der sie mürrisch von der Seite anschaute, entgegnete:
»Wir treffen uns alle in zehn Minuten im Besprechungszimmer.«
»Was war das eigentlich für eine chaotische Aktion?« fragte der Staatsanwalt in die Runde, ohne jemanden anzusehen. Man saß mittlerweile zusammen im Konferenzsaal der Polizeidienststelle.
»Was hätten wir tun sollen?«, fragte Schneider zurück. »Hätten wir vorher anrufen sollen? Es war unsere große Chance, ihn einfach zu überrumpeln. Dass er ausgerechnet heute nicht da ist, konnte kein Mensch ahnen. Wir müssen jetzt dezidiert über unser weiteres Vorgehen nachdenken. Vor allem geht es erst einmal um die Sicherheit von Amadeus Besserdich. Meines Erachtens befindet er sich in Lebensgefahr.«
»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als die kanadische Polizei zu informieren«, antwortete der Staatsanwalt. »Die sollen bei der Niederlassung der Firma in Winnipeg in Erfahrung bringen, wo genau die beiden Männer sind und dann losschlagen.«
»Das ist doch alles ein blöder Mist«, polterte jetzt Gisela dazwischen, und der Staatsanwalt traute seinen Ohren nicht, wie dieses unverschämte Mädchen seine Autorität untergrub. Sie störte sich nicht daran und fuhr fort:
»Erstmal müssen die Kanadier ihn kriegen. Er ist ja alles andere als blöd. Und wenn sie ihn haben, kann es Jahre dauern, bis sie ihn ausliefern. Da er nur die kanadische Staatsbürgerschaft hat, werden sie ihn vielleicht gar nicht ausliefern. Können wir nicht einfach den alten Beermann festsetzen, damit er seine Klappe hält, bis Wiebe wieder hier ist?«
»Zu Ihrer Information, Frau Berger«, konterte nun der Staatsanwalt, »solange Leute wie Sie hier noch nicht das Sagen haben, wovor Gott uns bewahren möge, befinden wir uns immer noch in einem Rechtsstaat. Möglichersweise hat Herr Beermann ja inzwischen bereits die Niederlassung in Winnipeg angerufen, und damit dürfte dann auch Herr Wiebe gewarnt sein, sobald er wieder in der Lage ist, zu telefonieren. Es ist also zu spät. Uns bleibt nur noch, ihn durch die kanadische Polizei festsetzen zu lassen. Ich werde sofort das Nötige veranlassen. Und Sie, Herr Schneider, versuchen bitte weiter, Herrn Besserdich zu erreichen, damit er weiß, in welcher Gefahr er sich befindet.«
»Ich glaube nicht, dass Herr Beermann bereits in Winnipeg angerufen hat. Denn dort ist es jetzt mitten in der Nacht«, antwortete Gisela und zog sich damit scharfe Blicke von Schneider und dem Staatsanwalt zu.
»Umso größer also unsere Chancen, Herrn Wiebe dort festzusetzen, bevor er weiß, dass wir ihn suchen«, antwortete der Staatsanwalt.
In den folgenden Stunden telefonierte Schneider sämtliche Hotels in Thompson ab. Es waren neun an der Zahl. Drei nahmen gar nicht ab aufgrund der nachtschlafenen Zeit. In drei weiteren übernachtete kein Mister Besserdich. Beim siebten Versuch hatte er Glück. Ja, Herr Besserich sei auf seinem Zimmer. Aber man wisse nicht, ob man ihn mitten in der Nacht stören könne. Schließlich gelang es durch Schneiders Überredungskunst, dass er durchgestellt wurde:
»Herr Besserdich?«
»Um Himmels Willen, wer ist denn da? Wissen Sie nicht, wie spät es ist?«
»Ich bitte um Entschuldigung. Hier ist Schneider.«
»Herr Schneider, mein Gott noch mal, ist was passiert?«
»Bitte, Herr Besserdich, hören Sie mir genau zu. Sind Sie allein und können Sie reden?«
»Natürlich bin ich allein. Ich liege im Bett.«
»Gut. Also, wir haben herausgefunden, dass Herr Wiebe, mit dem Sie unterwegs sind, höchstwahrscheinlich der Mörder ist.«
Sekundenlanges Schweigen.
»Haben Sie das verstanden, Herr Besserdich?«
»Nein. Sie meinen allen Ernstes, dass Manfred Wiebe der Mörder von Frau Gutbrodt ist? Und womöglich Marie entführt hat? Und... und wollen Sie mir etwa auch noch weismachen, dass er möglicherweise meine Eltern...?«
»Genau davon gehe ich aus.«
»Entschuldigung, aber ich glaube Ihnen kein Wort. Wie, um Himmels Willen, kommen Sie darauf?«
»Das mag schockierend für Sie sein. Aber wir haben herausgefunden, dass Herr Wiebe, der urpsrünglich
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