Lilly Höschen (01): Walpurgismord
Michael Leutkamp hieß, mit Ihrem Vater und mit Hans Gutbrodt zusammen im Internat war.«
Wieder Schweigen. Es tickte in Amadeus‘ Kopf. Er kriegte einfach nicht auf die Reihe, was Schneider ihm da erzählte.
»Aber Herr Schneider, natürlich bin ich jetzt erstaunt. Trotzdem, wenn es so war, dann ist es doch noch lange kein Grund..., nein, ich glaube das nicht.«
»Herr Besserdich, wir haben so eindeutige Indizien, dass wirklich ein dringender Tatverdacht besteht. Wo ist Herr Wiebe eigentlich? Ich nehme an, er schläft auch in diesem Hotel.«
»Nein, er ist kurz nach Mitternacht abgereist. Er dürfte sich jetzt irgendwo in der Wildnis befinden.«
»So ein Mist. Die kanadische Polizei soll ihn festnehmen.«
»Das gibt es doch nicht. Herr Schneider, ich glaube Ihnen nicht. Ich weiß zwar nicht, wie Mörder und Entführer so sind. Aber Manfred Wiebe ist bestimmt kein Mörder. Er wird in ein paar Tagen wieder in Deutschland sein, und dann können Sie ihn fragen und ihn mit Ihren abstrusen Vorwürfen konfrontieren. Glauben Sie mir, Herr Schneider, Sie irren sich.«
»Herr Besserdich, ich glaube, dass Sie in Gefahr sind. Sind Sie ganz sicher, dass Herr Wiebe das Hotel verlassen hat?«
»Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er abgeholt wurde.«
»Wissen Sie, ob er mit Herrn Beermann telefoniert hat?«
»Das weiß ich nicht. Mit dem Handy hat er bestimmt nicht telefoniert, weil die Dinger hier oben kaum oder gar nicht funktionieren. Ob er von seinem Zimmer aus per Festnetz mit Herrn Beermann telefoniert hat, weiß ich nicht.«
»Herr Besserdich. Sie bleiben jetzt auf jeden Fall in Ihrem Zimmer, solange, bis die Polizei kommt. Die bringt Sie dann in Sicherheit.«
»Was soll das heißen? Ich werde nicht mit der Polizei mitgehen, weil ich hier morgen früh ein äußerst wichtiges Gespräch mit anderen Anwälten habe. Diesen Job werde ich erledigen, egal, ob sich hier Mörder herumtreiben oder nicht.«
»Gut, wenn Herr Wiebe wirklich weg ist, kann Ihnen ja im Prinzip nichts passieren. Aber ich bin mir nicht sicher, dass er wirklich abgereist ist beziehungsweise ob er inzwischen vielleicht wieder da ist. Sie sind wirklich in Gefahr. Wissen Sie denn, wo genau Herr Wiebe hingefahren ist?«
»Nein, ich weiß nur, dass es in ziemlich unwegsames Gelände ging.«
»Das hört sich nicht sehr beruhigend für mich an. Vielleicht hat er doch mit Herrn Beermann telefoniert, der ihm berichtete, dass wir ihn in Deutschland verhaften wollten. Und deshalb ist er dann über alle Berge.«
»Herr Schneider, jetzt machen Sie einfach mal halblang.«
Goslar, 9. September 2010
Schneider wurde zum Staatsanwalt beordert und saß ihm an dessen Schreibtisch gegenüber.
»Tja, Herr Schneider, das ist ja bis jetzt ein ziemlicher Scheiß. Bitte bringen Sie mich auf den neuesten Stand der Dinge.«
»Also, die kanadische Polizei hat Wiebe nicht im Hotel angetroffen. Er ist wohl tatsächlich irgendwo in der Wildnis. Aber kein Mensch weiß, wo. Auch im Büro in Winnipeg wusste man nichts davon. Es hieß nur, dass er sich von einem möglichen neuen Geschäftspartner eine Schürfstelle zeigen lassen wollte. Aber niemand weiß etwas über den Vorgang. Und die Polizei ist natürlich nicht in der Lage, ein Gebiet von tausenden von Quadratkilometern abzusuchen. Diese angebliche Schürfstelle kann überall sein. Entweder das stimmt oder er hat Wind bekommen von seiner bevorstehenden Verhaftung und ist abgehauen. Wenn es allerdings stimmt, dass er in der Wildnis ist, bestehen gute Chancen, dass er noch gar nicht weiß, dass er festgenommen werden soll. Das ist jetzt unsere große Hoffnung. Sobald er dann wieder in Thompson oder Winnipeg auftaucht, schlägt die Polizei zu.«
»Es war übrigens nicht ganz leicht«, warf nun der Staatsanwalt ein, »die kanadischen Kollegen überhaupt davon zu überzeugen, dass es sich bei Wiebe um einen mutmaßlichen Mörder handelt.«
»Das ist das eine«, fuhr Schneider fort. »Was mir im Moment wichtiger ist, ist die Tatsache, dass Herr Besserdich nicht zu Schaden gekommen ist. Er hat morgens seine Verhandlungen in Thompson geführt und ist dann nach Winnipeg geflogen. Zur Zeit dürfte er gerade in der Luft sein. Er ist auf dem Weg nach Deutschland.«
»Gott sei Dank.«
Wieder in seinem Büro, sagte Schneider zu Gisela Berger:
»Sie fahren bitte nach Lautenthal und berichten Fräulein Höschen über den neuen Stand der Dinge. Wenn ihr Neffe heute abend eintrifft, sollte sie vorbereitet sein, falls er ihr
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