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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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zugleich. Ich wollte es nicht bemerken. Ich habe einfach so getan, als ob alles in Ordnung wäre. Wir hatten dich, und das war meine Garantie für Glück. Bis Margot kam. Sie war nicht schön, sie war nicht reich, aber sie war warmherzig und klug, und vor allem war sie wirklich für Harald da. Er begann ein Doppelleben zu führen, und es brauchte einen Zufall, so wie bei dir, damit ich aus meiner Lüge erwachen konnte.“
    Lilly stand auf und schaute für eine Weile schweigend auf die Kanisfluh. Dieser Berg, der als tröstender Klotz in ihrem Leben stand, wie eine Konstante, die ihr Sicherheit gab. Er würde immer für sie da sein. Sie erinnerte sich daran, dass in ihrer Kindheit der Schnee oft so hoch war, dass die Zäune zwischen den Grundstücken verschwunden waren. Dann donnerten die Lawinen den steilen Felsen herunter und zerstoben am Bergfuß in den Wäldern. Jetzt war sie unter eine Beziehungslawine geraten, und ihre Mutter hatte es auch nicht besser gemacht.
    Ella stellte sich zu Lilly und legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter: „Das hört sich ja fast so an, als hättest du dir mit Oskar doch nicht ganz das Gegenteil von deinem Vater gewählt. Jedenfalls sind sie einander ähnlich, wie sie sich in Krisen zu trösten wussten.“
    â€žNur in Krisen? Kann es sein, dass es Männer und Frauen gibt, die nicht geschaffen sind für eine Beziehung? Die in sich einen Kuchenesser tragen, der die Liebe nach einer Weile aufisst?“ Während Lilly das sagte, hoffte sie zugleich, dass ihre Ehe nur in einer vorübergehenden Krise war. Die Sehnsucht nach Oskar war plötzlich so stark, dass sie am liebsten aufgestanden und nach Wien zurückgefahren wäre.
    Ella sagte nichts, obwohl klar war, dass sie hinter ihrer Stirn Gedanken hin und her schob. Dann wechselte sie abrupt das Thema: „Katharina, hast du den Namen deiner Tochter absichtlich so abgekürzt, dass sie Lilith so nahe kommt?“
    â€žDamals habe ich nicht daran gedacht, ich wollte einfach nicht mehr an meine Zwillingsschwester Elisabeth erinnert werden. Und weil Else durch meine eigene Mutter besetzt war, schien mir das eine gute Lösung.“
    Lilly erschrak. Sie hatte ihren Namen nie mit Lilith in Verbindung gebracht, aber sie wusste, dass das die böse Version von Eva war, ein wildes Weib, das durch die Lüfte flog und mit brüllendem Gelächter jede Beziehung zerstörte. Sie stöhnte: „Um Gottes willen, das hat mir gerade noch gefehlt!“
    Ella legte den Arm um ihre Freundin und drückte sie für einen Augenblick: „Es ist ein guter Name. Sie war die erste Frau Adams, von Gott, so wie er, aus Erde erschaffen. Eine starke, unabhängige, schöne Frau, die darauf bestand, mit ihrem Mann auf Augenhöhe zu leben. Sie konnten sich nicht einigen, also breitete Lilith ihre Flügel aus und flog mit wehenden roten Haaren einfach davon. Doch dann geschah das, was in der Geschichte meistens passiert ist, wenn Frauen auf ihre Eigenmächtigkeit bestehen und sich emanzipieren. Sie wurde als dunkle Frau, als Dämon, als Kindermörderin, als Zerstörerin diffamiert. Die neue Frau Adams wurde aus seiner Rippe geformt und war damit sein Geschöpf und ihm nicht gleichgestellt.“
    Lilly blieb drei Wochen im Bregenzerwald. Mellau war kein wirklich schöner Ort. Zum einen hatte im 19. Jahrhundert ein Brand fast das ganze Dorf zerstört. Die Kirche, die Schule, das Pfarrhaus und achtzehn weitere Häuser verbrannten an einem schönen warmen Tag, an dem das Heu eingebracht wurde. Zum anderen gab es früher keine wirkliche Bauordnung, und jeder fühlte sich frei, sein Haus in „dBündt“ 07 zu stellen, wie er wollte. Lilly störte das nicht. Sie liebte die Bregenzerwälder Häuser, deren Außenwände mit kleinen Holzschindeln verkleidet waren, aber vor allem liebte sie die Berge, in denen das Dorf eingebettet war. Und mit den Tagen in der Natur wuchs eine dünne Haut über ihre offenen Wunden. Gleichzeitig sehnte sie sich nach Oskar, je länger sie von ihm getrennt war. Sie hasste Sybille inbrünstig, und auch als Ella einwandte, dass sie ihren Mann schonte, indem sie die ganze Last des Verrats auf ihre ehemalige Freundin legte, war sie innerlich nicht bereit, ihre Haltung zu ändern.
    Den Vormittag verbrachte sie meist in ihrem Zimmer, das sie sich als kleines Büro eingerichtet hatte. Ihre Mutter hatte

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