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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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Aber wovon verständigte? Dass das observierte Objekt in der Fraunhoferstraße ausgestiegen war? Dieses Versteckspiel hier in München war wahrscheinlich eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, aber was war schon unnötig, wenn es um so viel ging! Nun saßen sie in einem kleinen, billigen Restaurant an einem Tisch mit einer blau-weiß karierten Tischdecke aus Papier und warteten auf einen anderen Freund von Ralf und damit auf ihr Gepäck. Mit Chris hatten sie inzwischen keinen persönlichen Kontakt mehr, das war zu gefährlich, er stand Ralf zu nahe. Sie hatte den Unbekannten von einer Telefonzelle angerufen, nachdem sie die letzten zehn Minuten bis in das Lokal zu Fuß gegangen waren.
    Lea und Niklas waren in ihre Micky-Maus-Hefte vertieft und aßen einen Schinken-Käse-Toast. Die Küche, deren Tür offen stand, sah nicht so vertrauenswürdig aus, dass Lilly es gewagt hätte, das Angebot des Tages zu bestellen. Für einen Augenblick kehrte Ruhe ein. Sie hatte alles getan, was sie tun konnte. Sie dachte dankbar an das Wort Fügung, das in ihrem Leben seit einiger Zeit eine wichtige Rolle spielte, und stellte es sich bildlich vor. Sie sah eine Fuge vor sich, den leeren Raum zwischen zwei Elementen aus konkreter Materie, und fragte sich, ob Gott oder wie immer die lenkende Qualität da oben hieß, diese Leere nützte, um seine Wunder zu wirken. Oskar hatte endlich ein gutes Versteck, das war das eine. Das zweite Wunder war die neue Liebe von Johanna. Lilly war dabei, als sich die beiden zum ­ersten Mal begegnet waren.
    Ein verregneter Nachmittag in Johannas Wohnung. Die ­beiden jüngeren Kinder waren unter Decken und Stühlen im Wohnzimmer herumgekrochen und unterhielten sich in ihrem „Haus“. Die beiden älteren tauschten im Kinderzimmer wahrscheinlich Geheimnisse aus, als es an der Tür läutete: „Es ist der Postler, der meinen Telefonanschluss erneuert. Der alte hat einen Wackelkontakt“, sagte Johanna, nachdem sie geöffnet hatte, und verschwand wieder in ihrem Vorzimmer. Der Postler stellte sich als Rudi vor, als er später die Einladung zu einer Tasse Kaffee annahm, und war ein Unikat. Das fing schon bei seiner Optik an. Auf den ersten Blick wirkte er nicht besonders attraktiv, weil es so schien, als hätte die Natur seine Einzelteile etwas sperrig zusammengesetzt. Auf den zweiten Blick hatte er graue, wache Augen, einen Mund, der alles, was er sagte, durch eine spezielle Mimik unterstützte, und eine schmale, hübsche Nase. Er war mittelgroß, schmal gebaut und seine Bewegungen wirkten so, als hätten sich die Arme und die Beine noch nicht auf ein gemein­sames Ballett geeinigt. Er selber bezeichnete sich als Freak für Elektrotechnik und hatte eine Höhere Technische Lehranstalt absolviert. Bei der Post war er durch Zufall gelandet und liebte seine Kundenkontakte als „kostenloses Kino, denn Elektrodrähte sprechen nicht“. In seiner Freizeit reparierte er antike Radios und wusste alles über Schallwellen. Und wie es der Zufall wollte, wusste er auch einiges über Abhörtechniken und Wanzen.
    Er hatte Johanna beim zweiten Rendezvous von der „ehrenvollen Aufgabe der Post“ erzählt, verdächtige Bürger abzuhören, und dass er dagegen war, wie sorglos in seinem Amt mit der Intimsphäre dieser Menschen umgegangen wurde. Sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass seine Insider-Informationen dringend benötigt wurden. Noch war sie in der Annäherungsphase und nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Außerdem hatte sie genug damit zu tun, ihre Gefühle zu sortieren. Sollte sie ihrem Mann sagen, dass sie die Ehe, die aus ihrer Sicht fast nur noch auf dem Papier bestand, beenden wollte? Er wollte schon lange, dass sie mit den Kindern nach Connecticut übersiedeln sollte, wo er inzwischen seine Karriere aufgebaut hatte. Johanna hatte nach langem Überlegen gespürt, dass die Liebe, die noch da war, für diesen großen Schritt nicht reichte. Doch war Rudi tatsächlich der Mann, mit dem eine neue Beziehung möglich war, und würden die Kinder ihn akzeptieren?
    Lilly war eine gute Zuhörerin und merkte, dass sie Oskar in seinem Ringen, sich zwischen zwei Frauen zu entscheiden, immer besser verstand. Sie war auch froh darüber, dass jetzt endlich ihre Freundin etwas von ihr brauchte. Johanna war in den letzten Monaten mit Ralf gemeinsam ihre wichtigste Stütze in Wien

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