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Lillys Weg

Lillys Weg

Titel: Lillys Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate E. Daimler
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Wolke nicht vertreiben, um geil zu werden. Er kann sie einfach für diese Zeit ignorieren.
    Letizia fährt fast täglich in den Hauptort. Dort gibt es einen Bücherladen, in dem sie häufig schmökert. Ich habe sie gebeten, für mich ein Buch zu bestellen: Das Tao der weiblichen Sexualität. Ella hat es mir vor langer Zeit empfohlen. Meine Scheide wird seit Längerem nicht mehr feucht. Ich helfe mit Spucke nach und hoffe, dass Oskar es nicht merkt. Als Letizia mir drei Tage später meine Bestellung vorbeibringt, ziehe ich mich mit einer Decke unterm Arm an den kleinen Strand zurück.
    Ich schließe die Augen, bitte um eine Nachricht und öffne das Buch irgendwo. Der Satz springt mir entgegen, und ich weiß, dass ich gemeint bin: „Wenn die unteren Tore nicht verschlossen sind, fließt unverfeinerte Sexualkraft automatisch aus dem Körper in die Erde hinab.“ Ich lege das Buch zur Seite und strecke mich auf meiner Decke aus. Ich höre den Bäumen und dem Wasser zu und forsche still, ohne mich zu verurteilen. Ich habe meine „unteren Tore“ mein Leben lang geöffnet, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet. Ich habe Männer aus unterschiedlichen Gründen in meinen Schoß eingeladen. Weil ich mich ihrer Liebe ver­sichern wollte, weil ich nach Versöhnung gesucht habe, weil ich nicht Nein sagen konnte, weil, weil, weil …
    Ich lasse meine Nächte mit Oskar über mich ergehen, an­statt mich darum zu kümmern, dass unsere Sexualität ein bewusstes Kunstwerk wird, das uns beide stärkt. Ich muss mit ihm reden.
    Ich setze mich auf und lese weiter: Die Scheide ist das Jadetor, die großen Schamlippen das göttliche Feld, die kleinen Scham­lippen die roten Perlen, die Klitoris die kostbare Perle, die Gebärmutter ist der himmlische Palast. Eine neue, schöne Welt tut sich auf. Wieso haben wir in unserer Kultur aus dem weib­lichen Schoß einen schmutzigen Ort gemacht? Ein göttliches Feld, rote Perlen sind unser Eigen. Nicht Lippen, für die wir uns schämen müssen. Ich sage das Wort Schamlippen ein letztes Mal. Manchmal habe ich sie aus Protest auch Lustlippen genannt, aber jetzt wird mir klar, dass es um viel mehr geht. Ich kenne meinen Unterleib kaum, ich wusste nicht, dass er ein kostbarer Tempel ist und ich seine Hüterin. Meine Sexualität war bisher wie ein Besitz gewesen, den ich nach Gutdünken verteilt habe. Aber was ist mit mir? Was wollte mein Körper
in all den Jahren? Ich habe ihn mit großer Selbstverständ­lich­keit benützt und mir diese Frage noch nie gestellt. Ein paar Seiten später lese ich als Überschrift „Gefesselte Gefühle und alte Wunden“ und weiß, auch ohne den Text zu lesen, dass ich Angst vor Kontrollverlust habe.
    Das Thema „erfüllte Sexualität“ ist viel umfassender, als ich dachte.
    Lillys Rolle als Frau, Mutter und Beschützerin ihres Mannes fiel ihr nicht schwer. Sie war ihr auf den Leib geschrieben. Sie hatte schon als Kind gelernt, die Gefühle anderer wichtiger zu nehmen als ihre eigenen, und war eine Meisterin im Aufspüren und Ausgleichen von Stimmungen. Und sie sprach doch nicht mit Oskar über ihre Sexualität. Er war so glücklich und entspannt, und ­Lilly beschloss, ihr Problem mit sich selber auszumachen. ­Außerdem merkte sie, dass es ihr nicht leichtfiel, über sexuelle Probleme zu reden. Es war ihr peinlich. Auch im Bregenzerwald war das kein Thema, das man bei Tisch besprach.
    Stattdessen bat sie Letizia, ihr einen kleinen Handspiegel zu besorgen, und ging von nun an nach dem Frühstück häufig ­alleine an den kleinen Strand und lernte ihren Körper kennen. Oskar, der keine Ahnung von ihrem Forschungsprojekt hatte, respektierte, dass sie Zeit für sich selber brauchte, und ließ sie un­gestört.
    Am Anfang war es nicht einfach. Sie las und wünschte, Ella wäre hier, damit sie mit ihr reden könnte. Doch dann begann sie vorsichtig, die vorgeschlagenen Übungen auszuprobieren.
    In der Nacht öffnete sie bewusst ihre „unteren Tore“ und hieß Oskar willkommen. Es war ein Geschenk an sie beide, und die Spannungsschmerzen in ihrem Unterleib hörten sofort auf. ­Außerdem fand sie neue Wege, ihr Feuer anzufachen. Sie bat Letizia, ihr aus einem Geschäft für Pflegebedarf einen Plastiküberzug für eine Matratze mitzubringen. Sie begründete

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