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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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floh in die Küche. »Es sind nur zwei Gäste da«, sagte sie zu dem Koch.
    »Es ist mir egal, ob es zwei oder
zweihundert sind«, antwortete Charlie ungeduldig, während er Lily ein paar
Münzen reichte. »Wir brauchen Pastete. Geh zu Mrs. Halligan und sieh zu, ob sie
welche hat.«
    Seufzend steckte Lily das Geld in ihre
Schürzentasche und verließ die Küche durch die Hintertür.
    Als sie kurze Zeit später mit den
Pasteten zurückkam, wartete Rupert schon vor dem Hintereingang.
    »Du dachtest, ich sei wieder
davongelaufen, nicht?« fragte sie lächelnd.
    Rupert verstellte ihr den Weg und
verschränkte die Arme vor der Brust. »Bei dir weiß ich nie, was ich denken
soll«, erwiderte er. »Hol deine Sachen, Lily, denn du fährst mit mir nach Spokane
zurück.«
    »O nein, das tue ich nicht«,
entgegnete Lily rasch. Ihre Arme schmerzten von der Last, und Charlie wurde
sicher von Minute zu Minute ungeduldiger. »Ich habe meine Arbeit hier, und ich
besitze eigenes Land. Und nächsten Samstag fahre ich nach Fort Deveraux und
nehme an einem Offiziersball teil.«
    Ruperts Augen traten fast aus den
Höhlen, ein sicheres Zeichen dafür, daß seine Geduld erschöpft war. Lily trat
einen Schritt zurück. »Eigenes Land?« wiederholte er entsetzt. »Was zum Teufel
soll das nun wieder heißen?«
    »Ich habe mir eine Parzelle
abgesteckt«, flüsterte Lily und warf einen besorgten Blick zum Küchenfenster
hin. »Würdest du mich nun bitte vorbeilassen?«
    Aber Rupert dachte nicht daran. Der
harte Zug um sein Kinn verriet, daß nicht mit ihm zu reden war.
    Lily blieb nichts anderes übrig, als
ihm eine der Pasteten ins Gesicht zu schleudern.
    Während er spuckte und sein Gesicht
abwischte, marschierte Lily in die Küche und stellte die andere Pastete auf den
Tisch.
    »Ist das alles, was sie hatte?«
wollte Charlie wissen. Lily atmete tief ein. »Eigentlich hatte sie zwei«, gab
sie ehrlich zu.
    »Aber ich habe meinem Bruder die
andere ins Gesicht geworfen.«
    In diesem Augenblick stürzte Rupert
durch die Hintertür, ein lebender Beweis dafür, daß Lily die Wahrheit sprach.
    Charlie lachte schallend, dann
drohte er Lily mit einem mehlbefleckten Finger. »Bruder oder nicht, junge Dame,
ich lasse nicht zu, daß unsere Gäste so behandelt werden. Es ist schließlich
nicht so, als könnte ich keine andere Bedienung kriegen.«
    Lily biß sich auf die Lippen und
dachte an das Werkzeug und das Saatgut, das sie mit ihrem Verdienst kaufen
wollte. »Es tut mir leid, Rupert«, sagte sie nach langem Schweigen.
    Er zog sein Taschentuch hervor, um
die letzten Reste der Pastete vom Gesicht zu entfernen. »Hören Sie, guter
Mann«, sagte er dann zu Charlie, »diese junge Frau hier ist entflohen!«
    Charlie machte ein entsetztes
Gesicht. »Sie meinen, Sie hat das Gesetz gebrochen?«
    Rupert warf Lily einen
triumphierenden Blick zu, und sie versteifte sich. Was Rupert auch sagen
mochte, Charlie würde ihm alles glauben. So war es bei Männern.
    »Nicht ganz.«
    Lily atmete erleichtert auf.
    »Was soll das heißen, nicht
ganz?« wollte Charlie wissen.
    Rupert straffte die Schultern wie
ein Mann, der unter einer schweren Bürde litt. »Sie ist meine Frau. Vor einem
Monat hat sie mich und unsere beiden kranken Kinder verlassen.«
    »Das ist eine Lüge!« schrie Lily
wütend, weil sie genau wußte, wie Charlie reagieren würde. »Rupert ist mein
Bruder!«
    »Schäm dich!« sagte Charlie und
drohte Lily wieder mit dem Finger. »Wie eine anständige Frau in die Kirche zu
gehen und mit dem Major aufs Land hinauszufahren – so eine Schande!«
    Rupert warf Lily einen vernichtenden
Blick zu. »Was für ein Major?«
    Lily hob die andere Pastete auf und
schleuderte sie ihm ins Gesicht. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und
floh, weil sie es nicht für nötig hielt abzuwarten, bis Charlie sie feuerte.
    Sie war schon fast bei Mrs.
McAllisters Haus angelangt, als Rupert sie einholte.
    »Wenn ich ein richtiger Mann wäre«,
sagte er, »würde ich dich übers Knie legen und dir den Hintern versohlen!«
    Die zweite Pastete nach ihm zu
werfen, war Lily als Rache nicht genug. Sie warf den Kopf zurück und schrie:
»Hilfe! So helfe mir doch jemand!«
    Der alte Marshal Lillow humpelte aus
dem Saloon. Durch seine dicken Brillengläser sah er Rupert an und fragte: »Was
ist? Was ist?«
    Lily hatte jedoch nicht das Herz,
die Sache fortzuführen und ihren Bruder verhaften zu lassen. Immerhin war er in
ihrer Kindheit ihr einziger Freund gewesen. Er hatte ihr Lesen und

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