Lily und der Major
ihren Gedanken zu verbannen. Am
Nachmittag zum Beispiel, als sie Charlie beim Backen geholfen hatte, hatte sie
Überlegungen angestellt, wie es sein mochte, mit dem Major im Bett zu liegen ..
Lily errötete heiß bei der
Erinnerung daran. Beschämt stand sie auf und ging hinunter, um sich Mrs.
McAllisters Nähkorb auszuborgen. Den Rest des Abends beschäftigte sie sich
damit, das Kleid zu ändern, bis es paßte, dann ging sie ins Bett und träumte,
auf ihrer Farm zu sein und die Maisbeete in ihrem Garten aufzuhacken.
In gebückter Stellung hackte sie,
bis sie mit der Vogelscheuche zusammenstieß. Als sie sich aufrichtete, war es
Caleb, der in den Lumpen der Vogelscheuche vor ihr stand und lächelnd die Arme
ausbreitete. Lily schmiegte sich ohne Zögern hinein, und er küßte sie.
Das war der Augenblick, in dem sie
aufwachte, atemlos und seltsam erhitzt. Es war ein Gefühl,
das sie nicht kannte, aber eigenartigerweise war sie ganz sicher, daß Caleb
diese merkwürdige Sehnsucht stillen konnte.
Lily richtete sich auf, zog die
Beine an und legte das Kinn auf ihre Knie. Das Zimmer war in hellen Mondschein
getaucht, und das Ballkleid, das neben der Tür hing, kam ihr wie verzaubert
vor. Fast erwartete sie, es würde Gestalt annehmen, von seinem Haken
herunterkommen und durch das Zimmer tanzen ...
4
Das Fort war auf einem hohen, grasbewachsenen Hügel erbaut,
wie eine trutzige Festung aus Kiefernstämmen ragte es in den wolkenlosen blauen
Himmel.
Lily wandte sich vom Fenster ab und
setzte sich ein wenig gerader auf dem harten Sitz der Kutsche. In wenigen
Minuten würde sie Caleb wiedersehen.
»Wir sind fast da«, sagte sie zu dem
Soldaten, der ihr gegenübersaß, und löste die Bänder ihres neuen gelben Huts,
der mit dem gleichen Material bezogen war, aus dem auch ihr Kleid gemacht war.
Der Mann nickte lustlos. »Ich habe
es nicht eilig«, entgegnete er und schob seinen Hut in den Nacken.
In der Ferne erklang ein Horn, und
Lily konnte blaugekleidete Soldaten auf der Brustwehr sehen. Dann öffneten
sich weit die Tore des Forts, um die Kutsche einzulassen.
»Sind Sie hier, um unsere Wäsche zu
waschen, Madam?« wollte der Soldat wissen, der während der ganzen Fahrt kein
Wort gesprochen hatte und nun plötzlich Konversation machen zu wollen schien.
Lily schüttelte den Kopf. »Ich bin
zu einem Offiziersball eingeladen.«
Neugierig beugte der hagere Korporal
sich vor. Lily spürte den unangenehmen Geruch, der ihm anhaftete, und wünschte
plötzlich, sich nicht mit ihm unterhalten zu haben. »So? Wer hat Sie denn
eingeladen? Sie könnten Lieutenant Costners Typ sein. Oder auch Captain
Philipps'.«
Lily zupfte an ihren Handschuhen und
straffte die Schultern. »Ich bin Major Caleb Hallidays Gast – wenn Sie es
wirklich wissen wollen.«
Der Soldat setzte sich abrupt
zurück. »Tut mir leid, falls ich Sie beleidigt habe, Madam«, sagte er rasch.
»Es war nicht meine Absicht.«
Die Kutsche rollte durch das breite
Tor, und Lily hatte anderes zu tun, als sich über die schlechten Manieren
eines Soldaten zu ärgern. Sie war froh, daß sie den Mann mit wenigen Worten auf
seinen Platz verwiesen hatte, und rückte den Hut zurecht und strich ihre weiten
Röcke glatt.
Der Kutscher hielt das Gefährt vor
einem flachen Gebäude mit der amerikanischen Flagge an und kam herbei, um Lily
beim Aussteigen zu helfen. Er war ein gutaussehender dunkelhaariger Mann mit
einem beachtlichen Schnurrbart und heiteren braunen Augen, und er zog lächelnd
seinen Hut vor Lily.
»Ich freue mich schon darauf, Sie
bald wieder als Fahrgast zu begrüßen, Miss«, sagte er freundlich.
Lily lächelte ihm zu und ließ sich
von ihm auf den Bürgersteig helfen.
Gertrude Tibbet wartete schon auf
sie, begleitet von einer auffallend attraktiven Frau mit dunklem Haar, die Lily
irgend wie bekannt vorkam. Caleb hingegen war nirgendwo zu sehen. Lily bemühte
sich, ihre Enttäuschung zu verbergen.
»Hallo, Lily«, sagte Mrs. Tibbet
herzlich. »Ich möchte Ihnen meine Nichte vorstellen, Sandra Halliday.«
»Hallo«, erwiderte Lily und fühlte
sich plötzlich so gehemmt, daß sie am liebsten wieder in die Kutsche gestiegen
und nach Tylerville zurückgefahren wäre. Es mochte Zufall sein, daß Sandra den
gleichen Namen trug wie Caleb, doch Lily hatte das ungute Gefühl, daß dies
nicht so war.
»Sie haben sicher Caleb erwartet«,
sagte Sandra freundlich, und da erkannte Lily sie. Sie war die Frau, die vor
einer Woche mit Rupert in der Postkutsche
Weitere Kostenlose Bücher