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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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in seinen kühnsten Träumen nicht hätte ersinnen können: Cypol, der chinesischen Internet-Polizei. Sie routete Internetforen über Auslandsserver und verfasste ihre Blogs mit Hilfe von Programmen, die verfängliche Wörter schon beim Schreiben ausfilterten. Andere folgten ihrem Beispiel, wurden immer raffinierter, und inzwischen hatte die Partei wirklich Anlass, sich zu sorgen. Denn während Veteraninnen wie die Titanmaus aus ihrer wahren Identität keinen Hehl machten, geisterten Die Wächter phantomgleich durchs Netz. Um ihnen auf die Spur zu kommen, hätte es ausgeklügelter Fallen bedurft, die Peking auch immer wieder stellte, ohne dass bislang jemand hineingetappt war.
    »Bis heute hat die Partei keine Vorstellung davon, wie viele es überhaupt sind. Mal glaubt sie es mit vielen Dutzenden, mal mit Einzeltätern zu tun zu haben. Ein Krebsgeschwür jedenfalls, um unsere prachtvolle, volksgesunde Republik von innen aufzufressen.« Tu zog eine Portion Rotz hoch und spie sie vor seine Füße. »Nun weiß man ja, was aus Peking kommt, vornehmlich Gerüchte und wenig Greifbares, also wie groß ist die Organisation wirklich?«
    Jericho dachte darüber nach. Er konnte sich nicht erinnern, je von der Verhaftung eines Wächters gehört zu haben.
    »Oh, sie nehmen immer mal wieder jemanden in Haft und behaupten, er gehöre dazu!«, sagte Tu, als habe er Jerichos Gedanken gelesen. »Nun weiß ich zufällig sehr genau, dass ihnen bis heute kein einziger Zugriff gelungen ist. Unvorstellbar, was? Ich meine, sie jagen eine Armee, da müsste es doch Kriegsgefangene geben.«
    »Sie jagen etwas, das aussieht wie eine Armee«, sagte Jericho.
    »Du bist nah dran.«
    »Die Armee existiert nicht. Es sind nur wenige, aber sie verstehen es, den Ermittlern immer wieder durchs Netz zu gehen. Also stilisiert man sie hoch. Man macht sie gefährlicher und gerissener, als sie sind, um davon abzulenken, dass es dem Staat bis heute nicht gelungen ist, eine Handvoll Hacker aus dem Verkehr zu ziehen.«
    »Und was schließt du daraus?«
    »Dass du für einen ehrbaren Diener Pekings verdächtig viel über einen Haufen Internet-Dissidenten weißt.« Jericho sah Tu unter zusammengezogenen Brauen an. »Kommt es mir nur so vor, oder hast du da irgendwelche Karten im Spiel?«
    »Warum fragst du nicht gleich, ob ich dazugehöre?«
    »Hiermit geschehen.«
    »Die Antwort lautet Nein. Aber ich kann dir sagen, dass der ganze Trupp aus sechs Leuten besteht. Mehr waren sie nie.«
    »Und Yoyo ist eine davon?«
    »Tja.« Tu massierte seinen Nacken. »Das trifft es nicht ganz.«
    »Sondern?«
    »Sie ist der Kopf. Yoyo hat die Wächter ins Leben gerufen.«
    Jericho grinste. Im Zerrspiegel des Internets war alles möglich. Die Präsenz der Wächter legte nahe, es mit einer größeren Gruppierung zu tun zu haben, im Zweifel fähig, Regierungsgeheimnisse auszuspionieren. Ihre Aktionen waren durchdacht, die Hintergründe bestens recherchiert. Der Eindruck eines weitverzweigten Netzwerks drängte sich auf, tatsächlich verdankte er sich einer Vielzahl von Sympathisanten, die der Gruppe weder angeschlossen waren noch Kenntnisse über ihren Aufbau besaßen. Bei genauer Betrachtung ließ sich der gesamte Aktionismus der Wächter auf eine kleine, verschworene Hacker-Gemeinschaft reduzieren. Allerdings –
    »– müssen sie ständig auf dem neuesten Stand sein«, murmelte Jericho.
    Tu stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. »Redest du mit mir?«
    »Was? Nein. Doch. Wie alt ist Yoyo noch gleich?«
    »25.«
    »Kein 25-jähriges Mädchen ist so gerissen, auf Dauer die Staatssicherheit auszutricksen.«
    »Yoyo weist sich durch überragende Intelligenz aus.«
    »Davon rede ich nicht. Der Staat hinkt den Hackern vielleicht hinterher, aber ganz so blöde sind die auch nicht. Mit herkömmlichen Methoden kommst du am Diamond Shield nicht vorbei, und irgendwann hast du die Internet-Polizei am Hals. Yoyo muss Zugriff auf Programme haben, mit denen sie den anderen ständig einen Schritt voraus ist.«
    Tu zuckte die Achseln.
    »Was bedingt, dass sie sich damit auskennt«, spann Jericho den Faden weiter. »Wer sind die anderen Mitglieder?«
    »Irgendwelche Typen. Studenten wie Yoyo.«
    »Und woher weißt du das alles?«
    »Yoyo hat es mir erzählt.«
    »Sie hat es dir erzählt.« Jericho machte eine Pause. »Aber Chen hat sie es nicht erzählt?«
    »Doch, sie hat es versucht. Bloß, Chen will nichts davon wissen. Er hört ihr nicht zu, also kommt sie zu mir.«
    »Warum gerade zu

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