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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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gründete. In den letzten beiden Jahren hatte sich der vormals kleine Internet-Kanal an die Spitze aller ökologisch ausgerichteten TV-Sender Amerikas gesetzt und sich bemerkenswert selten korrigieren müssen – keineswegs selbstverständlich, da der Wettlauf um Erstveröffentlichungen im Internet besorgniserregende Mängel in der Recherche nach sich zog.
    Typisch für Greenwatch, empfand man dort eine krude Sympathie für den EMCO-Chefstrategen Gerald Palstein, eigentlich der böse Feind. Doch Palstein vertrat grüne Positionen, und in Calgary war er zum Opfer geworden, als er etwas beendet hatte, das Umweltschützern von jeher die Zornesröte ins Gesicht trieb. Anfang des Jahrtausends hatten Konzerne wie ExxonMobil, ermuntert durch die ökoresistente Bush-Administration, ein praktisch schon aufgegebenes Geschäftsfeld wiederbelebt: die Ausbeutung von Ölsand, einer Mischung aus Sand, Wasser und Kohlenwasserstoffen von Bitumen bis Rohöl, deren größte Vorkommen unter anderem in Kanada lagerten. Alleine die Reserven in den Regionen Athabasca, Peace River und Cold Lake wurden auf 24 Milliarden Tonnen geschätzt, womit sich das Land hinter Saudi-Arabien auf Platz zwei der ölreichsten Länder schob. Das schwarze Gold aus Sand zu extrahieren, kostete allerdings das Dreifache der herkömmlichen Förderung; ein Verlustgeschäft, solange die Barrel-Preise zwischen 20 und 30 Dollar gelegen hatten. Doch der rapide Preisanstieg hatte das aufwendige Verfahren schließlich gerechtfertigt, begünstigt durch Kanadas Nähe zum immerdurstigen, für jede nichtarabische Quelle dankbaren Hauptabnehmer USA. Mit Dollarzeichen in den Augen fielen die Konzerne über die schlummernden Reserven her, was in Alberta binnen Kurzem zur völligen Zerstörung des borealen Waldes, der Moorlandschaften und der Gewässer führte. Zudem gelangten pro Barrel des solcherart gewonnenen, synthetischen Öls über 80 Kilogramm Treibhausgas in die Erdatmosphäre und vier Barrel verschmutztes Wasser in Seen und Flüsse.
    Doch der Barrelpreis war abgestürzt, für alle Zeiten. Über Nacht fand der Tagebau sein Ende, ohne dass sich die Unternehmen, die ihn angezettelt hatten, in der Lage sahen, die geschädigten Ökosysteme wiederherzustellen. Was blieb, waren verwüstete Landstriche, gestiegene Krebsraten unter der Bevölkerung und Firmen wie Imperial Oil, ein Traditionsunternehmen mit Hauptsitz in Calgary, das sein Geld fast 150 Jahre lang mit der Förderung von Erdgas und Erdöl, dessen Raffinierung und zuletzt zunehmend auch mit Ölsand verdient hatte. Eben noch Speerspitze der Branche, gingen dort die Lichter aus, und Palstein in seiner Funktion als strategischer Leiter von EMCO, mit rund zwei Dritteln aller Anteile Haupteigner von Imperial Oil, musste nach Alberta reisen, um dem Management und einer schockierten Belegschaft zu verkünden, dass man sie fallen ließ.
    Vielleicht, weil es im Ergebnis effizienter war, seine Wut auf einen einzelnen Mann zu richten als auf den fernen Mond, dessen Rohstoffen sich das Desaster verdankte, hatte man in Calgary auf Palstein geschossen. Die Tat eines Verzweifelten, wenigstens stellte es sich so den meisten dar.
    Loreena Keowa hielt Skepsis für angezeigt.
    Nicht, dass sie die Antwort gewusst hätte. Doch wie lange würde sich ein verbitterter Arbeitsloser dem Zugriff entziehen können? Das Attentat lag einen Monat zurück. Verschiedenes an der Theorie vom ausgerasteten Einzeltäter ergab keinen Sinn, und da Keowa ohnehin an einer Reportage über Das Erbe der Ungeheuer, die Umweltzerstörungen durch die Ölkonzerne, arbeitete, erschien es ihr sinnvoll, den Fall auf ihre Weise weiterzuverfolgen. Schon vor Helium-3 hatte Palstein auf eine alternative Ausrichtung seiner Branche gedrängt. Nachgewiesenermaßen war er nie ein Freund des Ölsandgeschäfts gewesen und auf der Pressekonferenz in Anchorage unverdient schlecht weggekommen, wie sie fand. Also hatte sie ihm ein TV-Porträt angeboten, das ihn in besserem Licht zeigen würde. Im Gegenzug erhoffte sie sich Interna über den stürzenden Riesen EMCO, mehr aber noch erregte sie die Aussicht, in bester Tradition amerikanischen Enthüllungsjournalismus zur Aufklärung des Attentats beizutragen.
    Vielleicht sogar, den Fall zu lösen.
    Palstein hatte eine Weile gezögert und sie schließlich eingeladen, ihn in Texas zu besuchen, wo er sich in seinem Haus am Ufer des Lavon Lake von den Folgen seiner Verletzung und dem Überbringen schlechter Nachrichten erholte –

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